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Bibliotheksmanagement (Reflexion und Rezension)

In einer Zeit der Polykrisen und des erstaunlichen Aufschwungs des Autoritarismus weltweit bzw. des Überbordens der apokalyptischen Allmachtsfantasien der neoliberalistischen Tech-Bros stelle ich fest, dass ich in den letzten 30 Jahren auch dem neoliberalen Datenparadigma unterlegen war. Ehrlich gesagt, erst mit David Lankes wurde mir immer verständlicher, was Michael Gorman seinerzeit bei einer von mir 2003 organisierten Konferenz in Potsdam als Keynote meinte, wenn er der Bibliotheks- und Informationswissenschaft vorwarf, nicht „the greater common good“ (das Gemeinwohl) im Fokus zu haben. Zwar hatte ich schon länger den „Wert von Bibliotheken“ und dessen Messung kritisch thematisiert. Der aktuelle Hype um Künstliche Intelligenz könnte es deutlicher nicht machen, dass Institutionen wie Bibliotheken sich um die Werte der freiheitlich demokratischen Gesellschaft kümmern sollten – und wie sehr nicht nur der Planet, sondern auch seine Bewohner unter Stress geraten. Im Nachhinein bedauere ich, so sehr hinter ISO 11620 und LibQual und dem monetären „Wert von Bibliotheken“ hergelaufen zu sein (vgl. auch „Worth Their Weight„).

Aber anders als Michael Gorman dies forderte, würde ich jetzt gerade nicht „mehr Praxis“ in die Lehre aufnehmen, sondern im Gegenteil noch mehr Theorie z.B. zu der Frage, welche konkrete Aufgabe Bibliotheken in der realen Welt der Begegnung von Mensch und Gesellschaft spielen sollten. Natürlich hatte ich in meinen Vorlesungen das immer wieder plakativ thematisiert, aber es fehl(t)en im Grunde die wissenschaftlichen Werkzeuge das Bibliotheksmanagement darauf auszurichten. Studierende, die nach ihrem Abschluss Bibliotheken leiten (=managen) sollen, hätten im Studium sehr viel mehr von Epistemologie und Hermeneutik erfahren sollen oder zumindest von Gesellschaftstheorie und Politik. Aber das gab und gibt das Curriculum nicht her.

Von einem zweibändigen Standardwerk mit einem Titel, der suggerieren könnte, dass er sich mit der Aufgabe des (strategischen?) Managements von Bibliotheken beschäftigt, würde man Beiträge (auch) dazu erwarten. Dem Titel ist nicht zu entnehmen, dass hier lediglich wissenschaftliche (also große Universitäts- und Nationalbibliotheken) adressiert werden, und dass sich die Beiträge zu großen Teilen mit dem Wandel des wissenschaftlichen Publikationsmarktes beschäftigen, wie er sehr deutlich von Rainer Kuhlen beschrieben wurde [1]. Nicht nur, dass diese einschlägige Studie Kuhlens in dem Praxishandbuch gar nicht erwähnt wird, es bleibt insgesamt ein – wenn auch interessanter – Einblick in die eher praktischen Reflexionen der Leiterinnen großer Bibliotheken unter dem Eindruck einer eher technologisch-epistemologischen Krise, die mehr reflektiert werden müsste, bevor auch und gerade die wissenschaftlichen Bibliotheken obsolet geworden sind. (Beinahe lese ich das Handbuch mittlerweile als ein letztes Aufbäumen dieser Institution…)

Ich hatte hierzu die Gelegenheit, im m.E. zentralen Fachorgan Bibliothek. Forschung und Praxis eine Rezension zu veröffentlichen, die hoffentlich dennoch einigermaßen ausgewogen ist und diese metatheoretischen Gedanken nicht enthält.  Sie ist soeben ahead of print Open Access erschienen: https://doi.org/10.1515/bfp-2024-0099 .

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[1] Kuhlen, Rainer (2020): Die Transformation der Informationsmärkte in Richtung Nutzungsfreiheit. Alternativen zur Als-ob-Regulierung im Wissenschaftsurheberrecht. Berlin: De Gruyter Saur (Age of access? Grundfragen der Informationsgesellschaft: 12).

 

Bibliotheken und Bibliothekswissenschaft: raus aus der Komfortzone! Beobachtungen auf dem Panel „(Öffentliche) Bibliotheken in Forschung und Lehre“

Panel zu „Bibliotheken in der Lehre“ IBI/HU am 4.12.2018

Die vom Institut für Bibliotheks- und Informationswissenschaft der Humboldt Universität zu Berlin (HU) initiierte Podiumsdiskussionen reagierte auf das offensichtliche Verschwinden des Themas „Bibliothek“ an den deutschen Hochschulen speziell an der HU. (Die Veranstaltung wurde professionell aufgezeichnet!) Ein Problem, das im angloamerikanischen Raum vor ca. 15 Jahren unter dem Stichwort „Dropping the L-Word“ (=„Library“-School) auch schon in der Diskussion war. In unserem europäischen bibliothekswissenschaftlichen Projekt ALMPUB wurde interessanterweise von den ausländischen Kollegen mehrfach konstatiert, wie weit Deutschland stets hinter den internationalen Diskussionen her ist. 

Die Diskussion vergangenen Dienstag (4.12.2018) fand bezeichnenderweise in einer wissenschaftlichen Bibliothek (WB) statt, obwohl doch die „Öffentliche Bibliothek“ (ÖB) thematisiert werden sollte. Der Leiter der Universitätsbibliothek der HU, Prof. Degkwitz, eröffnete die Veranstaltung mit Hinweisen auf die aktuelle Erfolgsstory der Stadtbibliotheken mit Roboterparks, Bibliotheksfestivals und der Eröffnung spannender „Dritter Orte“ in vielen deutschen Städten. Dabei erwähnte er äußerst lobend den positiven Einfluss, den die Herausgabe und deutsche Veröffentlichung von Expect More von David Lankes (durch mich) gehabt hat.

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Gewählt in die Leibniz Sozietät

PasLeibniz-Logosend zum Leibniz-Jahr ereilt mich die Ehre in die Leibniz-Sozietät der Wissenschaften zu Berlin aufgenommen zu werden. Ich hatte bereits das Vergnügen in der Klasse der Sozial- und Geisteswissenschaften einen vielbeachteten Vortrag halten zu können zum Thema „Die Bibliothek – eine gesellschaftliche Institution im Wandel„. Aus Anlass des diesjährigen, sog. „Leibniz-Tages“ der Sozietät wird mir am 7. Juli feierlich die Aufnahmeurkunde in diese illustre Gesellschaft überreicht. Continue reading

Reflexion als Metakompetenz. Der Kern der hochschulischen Qualifikation der Informationsberufe

ANKOM 2015 CoverDer Abschluss-Sammelband der BMBF Förderlinie ANKOM „Übergänge von der beruflichen in die hochschulische Bildung“ ist soeben erschienen. Damit schließt sich der Kreis der Forschungen rund um die Fernweiterbildung an der FH Potsdam mit seinem theoretischen Teil und der Einbettung der Forschungsergebnisse. Unser etwas über zwei Jahre laufendes Forschungsprojekt „AKIB: Akademische Kompetenzen in den Informationsberufen“ hatte zum Ziel, die Kompetenzstruktur von Bibliothekaren und Archivaren auf Bachelor/Diplomniveau genauer zu untersuchen und vor allem im Vergleich zwischen berufsbegleitend und „direkt“ Studierenden herauszufinden, welches die Spezifika des hochschulischen Bildungsweges sind. Continue reading

Warum sind Information Professionals so „internetavers“?

Oder technophob, arachnophob, digiphob… jedenfalls nicht internetaffin? Am häufigsten erlebe ich AIBS gerade bei Personen, die sich als Information Professionals verstehen oder gar als Informationswissenschaftler. Letztlich wurde mir sogar als Begründung für die Netzverweigerung gesagt: „weil ich information professional bin.“ Es handelt sich auch nicht nur um die Ablehnung eines bestimmten Konzerns wie Facebook, Google oder Microsoft, sondern meist um eine generelle Abstinenz. Interessanterweise erlebe ich auch gerade bei diesen Personen eine Art Microsoft Hörigkeit. Und das Argument, dass gerade Mikrosoft Daten auf dem heimischen PC sammelt kommt hier nicht an….

Für mich ist das eine echte Frage, Und ich meine nicht die Diskussion um mangelndes Open Access der Informationsszene in Deutschland, das ist ja nur die Basis dafür. Ebenso finde ich interessant, dass ich in diesem Bereich den Eindruck habe, die meisten Pseudonyme im Netz (z.B. bei Twitter) zu sehen, mit denen dann doch ein vermeintlicher Deckmantel für wenig personenauthentische Diskurse verspürt wird. Meine Erfahrung widerspricht hier Sascha Lobo, der auf der re:publica sagte, dass es Studien gäbe, die belegten, dass Anonymität im netz nicht zu Missbrauch führt…

Gut, es müssen ja nicht alle Digital Natives sein, aber als Informationsspezialist müsste man doch zumindest „heavy user“ und „visitor“ sein, wie Peter Kruse es anschaulich untersucht hat:

Ich bin dankbar für jeden Hinweis, der über Duecks Hysterie/Zwanghaftigkeit-Schema hinausgeht.

A propos Dueck: besonderer Hinweis auf diesen Film: Minute ab 20 in diesem Film, wo er sagt: „Ich war neulich auf dem 100. Bibliothekartag, oh das war ernst.“