Warum sind Information Professionals so „internetavers“?

Oder technophob, arachnophob, digiphob… jedenfalls nicht internetaffin? Am häufigsten erlebe ich AIBS gerade bei Personen, die sich als Information Professionals verstehen oder gar als Informationswissenschaftler. Letztlich wurde mir sogar als Begründung für die Netzverweigerung gesagt: „weil ich information professional bin.“ Es handelt sich auch nicht nur um die Ablehnung eines bestimmten Konzerns wie Facebook, Google oder Microsoft, sondern meist um eine generelle Abstinenz. Interessanterweise erlebe ich auch gerade bei diesen Personen eine Art Microsoft Hörigkeit. Und das Argument, dass gerade Mikrosoft Daten auf dem heimischen PC sammelt kommt hier nicht an….

Für mich ist das eine echte Frage, Und ich meine nicht die Diskussion um mangelndes Open Access der Informationsszene in Deutschland, das ist ja nur die Basis dafür. Ebenso finde ich interessant, dass ich in diesem Bereich den Eindruck habe, die meisten Pseudonyme im Netz (z.B. bei Twitter) zu sehen, mit denen dann doch ein vermeintlicher Deckmantel für wenig personenauthentische Diskurse verspürt wird. Meine Erfahrung widerspricht hier Sascha Lobo, der auf der re:publica sagte, dass es Studien gäbe, die belegten, dass Anonymität im netz nicht zu Missbrauch führt…

Gut, es müssen ja nicht alle Digital Natives sein, aber als Informationsspezialist müsste man doch zumindest „heavy user“ und „visitor“ sein, wie Peter Kruse es anschaulich untersucht hat:

Ich bin dankbar für jeden Hinweis, der über Duecks Hysterie/Zwanghaftigkeit-Schema hinausgeht.

A propos Dueck: besonderer Hinweis auf diesen Film: Minute ab 20 in diesem Film, wo er sagt: „Ich war neulich auf dem 100. Bibliothekartag, oh das war ernst.“

3 thoughts on “Warum sind Information Professionals so „internetavers“?

  1. till

    Ich habe keine gute Antwort auf die Frage. Mir ist das Phänomen jedenfalls schon am Anfang meines Studiums der Informationswissenschaft massiv begegnet. Ich war damals ein unbedarfter, kleiner Erst- oder Zweitsemester im Studium der Informationswissenschaft und besuchte die „DGD Online(!) Tagung“ in Frankfurt, muss 1996 oder 1997 gewesen sein…
    Da war also die versammelte Elite der deutschsprachigen Informationswissenschaft- und praxis. Und beklagte kollektiv diesen „Misthaufen Internet“ (zum Glück hatte jemand, der es ja wissen muss, damals gerade dieses ideale „Schlagwort“ geschaffen, unter dem man das wegsortieren konnte). Statt zu verstehen, was da passiert, oder es wenigstens zu versuchen, gerne ja auch kritisch, zog sich durch die gesamte Veranstaltung der Gestank von Angstschweiß… Angst, dass Wissen nun zu leicht zugänglich wird (klar, darunter vielleicht auch „Mist“) und die bewährte Gleichung „Reichtum“ = „(Anzahl der Zugänge zu kommerziellen DB-Hosts * Beherrschung obskurer Abfragesprachen) / absurde Zugangskosten pro Sekunde und Abfrage und Datensatz“ nicht mehr aufgeht…
    Hach, aber „Informationsleichtigkeit“ schafft es ja inzwischen auch in den bibliothekarischen Thesaurus, was ein Wort… Man stelle sich vor, die Informatik nähme „Datenheiterkeit“ als zu untersuchendes und so bezeichnetes Konzept auf… 🙂
    Es gab (und gibt natürlich) Ausnahmen. Achim Oßwald berichtete damals in einer Session zur „IuD-Ausbildung“, wie sie an der FH Köln dieses Internet in die Lehre integrieren (HTML-Kurse und so). Um höchst kritische Fragen nach der Notwendigkeit solcher Lehrinhalte zu ernten. Ich als naiver Student, fühlte mich bemüßigt, mein Lob für seine Initiative zu äußern und ein bisschen zu erzählen, wie das damals in Saarbrücken lief (dort war man diesem Internet gegenüber eigentlich sehr aufgeschlossen und ließ die Studis einfach selbst machen, auch weil man eh nicht genügend Ressourcen hatte, das zu „kontrollieren“, aber man begleitete alle unsere Initiativen wohlwollend und mit dem notwendigen „kritischen Input“, sagen wir es so: konnektivistische Lehrkonzepte setze man da schon um, bevor sie geboren waren, aus purer Not…). Wirklich bezeichnend war dann die Reaktion einer anwesenden „information professional“ auf meinen Beitrag: „Liebe angehende Kollegin… oder sind Sie ein Kollege?, Ihre unreflektierte Euphorie für das Internet möchte ich bremsen. Ich hoffe, Sie lernen in Ihrer Ausbildung auch noch etwas, womit Sie später Geld verdienen können…“.
    Meine Antwort darauf: „Naja, ein Prinzip des Internets haben Sie immerhin schon verstanden: Flame-Wars“.
    Immerhin entschuldigte sie sich später mit kostenloser Schokolade von einem der Aussteller für den Angriff auf persönlicher Ebene… So war das damals, als dieses Internet auftauchte. Leider ging es nicht mehr weg…
    Diese Veranstaltung (und folgende) hat meinen Eindruck von Teilen unserer Disziplin nachhaltig geprägt.
    Geld verdiene ich jetzt u.a. damit, dass ich „information professionals“ immer wieder das Internet erkläre, und versuche, ihnen den Angstschweiß von der Stirn zu tupfen (oder ihn auch mal richtig fließen lasse). Inzwischen auch mit kürzeren Haaren, damit wenigstens einfache Klassifikationsfragen klar geklärt werden können…

  2. Hans-Christoph Hobohm Post author

    Vielen Dank für den ausführlichen Kommentar.

    Biographisch ging es mir vielfach ähnlich, obwohl ich sagen muss, beim Aufploppen des WWW war noch eine gewisse Neugierde da (und man konnte ziemlich viel Geld verdienen durch Anwenden von BasisHTML-Wissen und Websiteaufbau). Jetzt bei den Social Media und neuen Cloud basierten mobilen Instrumenten, die einem persönlich tatsächlich die Arbeit erleichtern, gibt es noch nicht einmal eine Neugierde. Es ist alles per se schlecht, ohne es ausprobiert zu haben.

    Das Internet als Marktplatz ist eine Sache. ITK als Werkzeug eine andere. Da aber unsere Kunden diese Werkzeuge nutzen (zumindest: ‚werden‘) wundere ich mich über die Abstinenz bei den Informationsdienstleistern neue Service anzunehmen (oder auszuprobieren).

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