Tag Archives: e-science

iConference in Berlin

Welch ein Ereignis!

iConference 2014 in Berlin (Opening Session in Audimax of Humboldt University)

iConference 2014 in Berlin (Opening Session in Audimax of Humboldt University)

Die Crême-de-la-Crême der „Information Science“ Forschungs- und Ausbildungsstätten der Welt trifft sich in der Nachbarstadt zur Konferenz der iSchools genannt iConference. Nach dem Internationalen Symposium der Informationswissenschaft in Potsdam und der CoLIS Konferenz Kopenhagen im letzten Jahr eine enorme Anhäufung von informationswissenschaftlichen Top-Treffen in der gleichen Region.

Beeindruckend war auch der vergleichsweise hohe Preis. War dies der Grund dafür, dass man so wenige deutsche Kollegen traf? Der iSchool Caucus – unter aktuellem Vorsitz von Michael Seadle (HU Berlin) – gibt sich zunehmend international und nicht mehr nur als US Elite. Früher war eine bestimmte Drittmittelquote das Kriterium, in den Club aufgenommen zu werden und sich „iSchool“ nennen zu dürfen. Dass dem nicht mehr so ist, zeigte die Internationalität der vertretenen Fachbereiche und Institute aus vielen Ländern.

Das Programm der Tagung war gemischt. Es zeigte vor allem die Leistung der jeweiligen PhD candidates und die Forschung der post-docs. Und diese ist auf einem recht hohen methodologischen Niveau. Sehr viel neues inhaltliches ist mir persönlich nicht begegnet, was aber auch daran gelegen haben mag, dass man sich zwischen teilweise über vier parallelen Tracks entscheiden musste und ich gezielt zu Themen aus dem Bereich „Information behavior“ gegangen bin. Methodisch habe ich allerdings einiges gelernt. Vor allem, wie stringent informationswissenschaftliche Forschung an den iSchools betrieben wird. Meine inhaltlichen Highlights ähnelten und bestätigten meine Eindrücke von der vorletzten ASIS&T und der letzten CoLIS: David Bawden, Ron Day, Isto Huvila, Nicholas Belkin – Namen, die in diesem Zusammenhang in Erinnerung bleiben werden. Auf der Twitter-Timline der Konferenz war übrigens unser Kollege Marian Dörk (FH Potsdam) der Champion!

Tony Hey (Keynote at iConference 2014 in Berlin)

Tony Hey (Keynote at iConference 2014 in Berlin)

Zwei Keynotes eröffneten die jeweiligen Haupttage. Melissa Terras von der UCL sprach am zweiten Tag zum Thema „Digital Humanities als Culture Clash“. Ich konnte ihren Vortrag und ihren unlängst erschienenen Reader für meinen Vortrag auf unserem I-Science Tag gut verwenden.

Der erste Keynote Speaker war uns gut bekannt: Tony Hey (Microsoft Research) hielt ziemlich genau den gleichen Vortrag, den er bei uns in Potsdam anlässlich unseres ersten I-Science Tages 2010 schon gehalten hatte zu Forschungsdaten und das vierte Paradigma. Bei uns hatte es nur zu einer Skype-Zuschalte gereicht. In Berlin war er persönlich zu bewundern.

Drei unserer Masterstudierenden konnte ich mit Projektmitteln die Gelegenheit bieten mitzukommen. Ich hoffe es hat ihnen genauso gefallen wie mir, obwohl sie natürlich noch nicht zur Familie gehören und (noch?) nicht so viel Netzwerken konnten. Die nächste iConference findet in 2015 Newport Beach in Süd-Californien statt und viele Kollegen versprachen dahin wieder zu kommen (zum Baden und Surfen).

 

BMBF Projekt erfolgreich abgeschlossen

Nach knapp drei Jahren mit wechselndem Personal und mehreren „Projektkindern“ kam diese Woche das BMBF FHprofUnt-Projekt „Datacreativity Tools for Innovation and Research“ zum erfolgreichen Abschluss. Wir haben mit wenigen Abstrichen das erreicht, was wir uns vorgenommen hatten. Zwar kommt es vielleicht nicht zu der konkreten Produktentwicklung, die der BMBF sich bei solchen Projekten wünscht, aber wir haben zumindest eine Patentanmeldung für unser Konzept zum „kreativen Ideenfinden in Datenbergen“ auf den Weg gebracht. (Übrigens eine interessante Erfahrung, so eine Patentanmeldung! (Vielen Dank an die Beteiligten.)

Kreativität durch Recherche von Nicht-Wissen

lautete das Motto des Abschlussworkshops des Projekts. Die Grundstruktur lässt sich folgendem Diagramm entnehmen:

DCT-prozessdiagramm

 

Eine Reihe von internationalen Publikationen erläutern unser Konzept (s. auf der Website), das neueren Kreativitätsforschungen folgt, und versucht, diese mit Datenrecherche zu verknüpfen. Der Kerngedanke ist dabei, dass neue Ideen vorwiegend durch Grenzüberschreitungen kommen, weshalb es uns wichtig war, in dem Interface Recherchemöglichkeiten ihn verschiedensten Daten- und Informationsquellen zu kombinieren.

Der ursprüngliche Ansatz ggf. durch Browsing in visualisierten Ontologiestrukturen zu stöbern und so Ideenfindung zu ermöglichen, scheiterte an der Komplexität der notwendigen Ontologien zu den zugrundeliegenden Datenquellen und an der Tatsache, dass uns die entsprechenden Experten zur Visualisierung und zu Fragen semantischer Technologien im Projekt fehlten. (Das Projekt war ja in meiner Zeit als Dekan an den Fachbereich geholt worden, mit dem Ziel, diesen Schwerpunkt des Fachbereichs auch mit Forschung zu unterlegen – das hat aber aus verschiedenen Gründen personell nicht geklappt.) Statt Onotologieentwicklung wurde nun Kreativitätsforschung und der Einsatz von Webservices und RDF Strukturen zum konzeptionellen Kern des Projektes.

Im Rahmen der Abschlussarbeiten des Projekte wurden auch noch mehrere Nutzungs- und Nutzertests durchgeführt, bei denen recht allgemein (und damit vielleicht nicht validierbar genug) herauskam, dass das System funktioniert.

Es bleibt vor allem den kompetenten Projektmitarbeitern Lars Müller und Thomas Wetzel für die disziplinierte und engagierte Projektarbeit zu danken und ihnen alles Gute zu wünschen! Es hat viel Spaß gemacht. Schade, dass Drittmittelprojekte immer so kurz finanziert sind, was könnte man nicht alles noch zusammen machen…

Dank für die anregende Zeit geht auch an die weiteren Projektbeteiligten, wie Judith Pfeffing (unsere SCRUM Masterin zu Anfang), an unsere stud. und wiss. Hilfskräfte Christoph Höwekamp, Christoph Szepanski und Björn Lindequist – ohne sie wären wir nie so weit gekommen. Und natürlich an unsere Kooperationspartner: Thomas Schrader (Charité/FH Brandenburg), Danilo Schmidt (Charité), Carsten Becker (GIB), Kawa Nazemi (FhG IGD) u.v.a.m. sowie nicht zuletzt an unsere Testprobanden und letztlich natürlich an die verschiedenen Projektträger des BMBF und unsere Hochschulverwaltung Frau Diana Deponte.

Bibliothekare als Middleware

Die ARL hatte im Herbst letzten Jahres eine Tagung zum Thema „Re-Inventing Science Libraianship: Models for the Future“ mit einer Reihe von führenden Vertretern der Fachwelt, von Clifford Lynch bis Liz Lyon. In der aktuellen Ausgabe der Research Library Issues (dem e-only-Bulletin der ARL) findet sich ein sehr gut geschriebener und multimedial gestalteter Bericht dazu mit Audioexzerpten und und zusammenfassenden Statements.

Es wurde auf der Tagung mehr als deutlich, wohin die Reise geht – zumindest bei wissenschaftlichen Spezialbibliotheken: Elisabeth Jones: Reinventing Science Librarianship – Themes from the ARL-CNI Forum. RLI 262, febr. 2009. Drei Bereiche, die sich ergeben ähneln sich sehr. Da ist zum Einen der data librarian: in der Cyberinfrastructure (vulgo: „E-Science“)

Many of the roles that science librarians will be called upon to play focus on data, as science becomes more data-driven itself. Science librarians will need to become data consultants, data distributors, data service providers, data analysts, data miners, and data curators. They will be called upon to enforce data quality, aid in data retrieval, construct data applications, and ensure that data collections are properly annotated and preserved.

Zum zweiten das Thema der Nachhaltigkeit, gerade auch von Daten:

A second recurring theme of the forum was the need to create sustainable models for data preservation and reuse. The explosion in the volume of scientific data entails a need to both determine data selection and preservation procedures and find ways of maintaining access and usability as data management systems change.

Schließlich wurde auf besonders eindringliche Weise die zukünftig noch wichtiger werdende Vermittlungskompetenz der Bibliothekare hingewiesen:

A third theme — the librarian as middleware — was pervasive at the forum. … For the panelists, librarians became “bridges,” “facilitators,” “trusted arbiters,” and “relationship builders,” negotiating not just between people and systems, but also between systems and systems, and between people and people.

Obwohl „Middleware“ aus dem Bereich der Grid-Technologie stammt wird es in Sinn einer modernen Informationswissenschaft übertragen gemeint:

Arguably the most important role for librarians as middleware in the escience context, however, is mediation between people and people. (…) “human interoperability is more difficult than technical interoperability.” It requires trust, common vocabulary, and negotiation of values.

Clifford Lynch fasst es treffend zusammen:

In the near future, however, librarians’ support for e-science will most likely be defined by their “middleware” role.

E-Research braucht ein „Facebook für die Wissenschaft“

Ich war gerade fleißig am Twittern während des E-Science Seminars der Max-Planck-Gesellschaft vorletzte Woche, da traute ich meinen Ohren kaum: Ad Lagendijk (Distinguished Professor of the Univ. of Amsterdam), der als „konservativer“ Keynote-Speaker im Kontrast zu Tony Hey (Microsoft) eingeladen worden war, sprach davon, dass der ganze technische Hype mit Grid und Datamining vorbei ist, und es jetzt viel mehr darauf ankäme, Kooperation und Vertrauen (sic: Kuhlen ließ grüßen) zwischen den Wissenschaftlern zu stärken. Für den Datenaustausch bräuchte man nicht Grid, sondern „so etwas wie Facebook für Max-Planck“. Jürgen Renn ging in der Zusammenfassung dann m.E. noch einen Schritt weiter und forderte nach dem Semantic – ein Epistemic Web, dem schließlich ebenfalls mehr personalisierte Kontextinformationen inne wohnen als in allen OLAP Datenbergen und -minen.

Irritierend war dann allerdings, dass gerade der Technikeuphoriker Tony Hey („use the new MS Office you will see“) eine Lanze brach für Bibliothekare. Er verwies dabei auf einen Artikel, den er zusammen mit seiner Frau (die eben diesen Beruf hat) 2006 in Library Hi Tech veröffentlicht hat. Die Wissenschaftler Renn und Lagendijk schienen dabei nicht so überzeugt.

Jetzt (gestern) geht nun allerdings gerade über den Heise Ticker, dass es in UK in der Tat so etwas schon gibt (Research Gate) (wusste Hey dies?). Und Twitter-bibliothekarin Dörte Böhner ist schon wieder dabei, gleich dazu zu posten. Vielen Dank für den Tipp. Vielen Dank Twitter.

Blog Tipp zu ’new roles of librarians‘

Einem Twitter-Hinweis von Doerte Böhner (Bibliothekarin) folgend, entdecke ich eine recht streitbare und gut vernetzte Bloggerin, Dorothea Salo, deren Texte die Lektüre lohnen, obwohl sie davor warnt: caveat lector. Sie ist nicht mehr „rat de bibliothèque“ wie die Franzosen sagen, sondern bezeichnet sich selbst als repository rat. Eine interessante neue Rolle für Bibliothekarinnen. In der aktuellen Ausgabe des Library Journal wird sie interviewt und spannt einen glänzenden Bogen von Stephen Harnad zu Herbert van de Sompel und anderen und beschreibt, was Tony Hey (Microsoft) und seine Frau auch schon in Library Hi Tech 2006 als Aufgabe für zukünftige Bibliothekare beschrieben haben: proaktives Sammeln… Im Library Journal wird sie als „post Harvard Librarian“ tituliert, weil sie Positionen vertritt, die sich nach dem Votum (2008) von Harvard für ein verpflichtendes Universitätsrepositorium ergeben haben, weil die Bibliothekate merkten, dass Selbstablieferung nicht funktioniert (alte Pflichtexemplarregel…).

In anderen Beiträgen in ihrem Blog berichtet sie zu Zoteros neuen Features und beschwichtigt die bibliothekarischen Gemüter.

Die Optik und der Tonfall ihres Blogs ist vielleicht nicht jedermanns/fraus Geschmack, aber einer amerikanischen Leseratte zuzuhören, die so belesen ist, macht einfach Spaß.