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Empathie!

Jeremy Rifkin: Empathische Zivilisation

„Empathie“ ist bekanntlich ein zentraler Begriff der Bibliotheks- und Informationswissenschaft, da es in diesem Disziplinen ja vorwiegend um die Zielgruppen gerechte Aufbereitung von Information und Wissen geht und dabei diesen gegenüber Empathie walten muss. In diesen Tagen ist „dazu“ ein viel beachtetes Buch des amerikanischen Soziologen Jeremy Rifkin (Autor von „Access: das Verschwinden des Eigentums“) erschienen. Er zeichnet ein sehr positives Menschenbild, in dem er dem Menschen eben jene Empathie als Grundcharakteristikum des Menschseins zuspricht und dies mit großem interdisziplinärem Geschütz (von der Phylogenese bis zur Neurobiologie und der Geschichte) auch belegen kann. Er vermutet, dass wir uns an einem sehr entscheidenden Wendepunkt der Menschheitsgeschichte befinden und diesen auch meistern können.

Nicht nur die deutsche Presse hat das neue Buch des Erfolgsautors und Beraters der EU ziemlich verrissen. Es ist ein Buch, das dem aktuell immer noch stark vorherrschenden Neoliberalismus nicht geheuer sein kann. Ich frage mich dennoch, ob es nicht auch das positive Menschenbild dieses weisen (?) Mannes ist, dass so aneckt. Das Buch bzw. die These von Rifkin weckt Hoffnung angesichts von so viel offensichtlicher Unvernunft auf der Welt. Und: wenn sich hier dann auch noch Argumente für bessere Bildung vielleicht sogar mit Bibliotheken finden lassen, könnte ich mir eine Lektüre trotz aller Feuilleton Kritik schon vorstellen.

Auch ihm zuschauen macht Hoffnung und Spaß:

Die heutigen Kritiken:

DRadio (mit Podcast),  Tagespiegel (Interview) und mehr dazu im Perlentaucher.

Gates Stiftung finanziert Bibliothekskampagne mit 5 Mio $

Die Bill&Melinda Gates foundation, die schon die Cable Book Library und die Information Gas Station in Helsinki angeschoben hatte, investiert erneut massiv in Bibliotheken. OCLC erhält 5 Millionen USD für eine „Awareness Campagne“ zur Unterstützung von öffentlichen Bibliotheken.

The value and relevance of libraries is especially clear in a difficult economy. However, few people are aware of how their libraries are funded and of the increasingly fragile state of library funding,“ said Cathy De Rosa, global vice president of marketing for OCLC. (OCLC Pressemitteilung)

Aufgrund der oft sehr bürgernahen Finanzierung (über Bürgerhaushalte) von Bibliotheken in den USA ergibt sich hier aktuell ein besonderes Problem. Dennoch würde eine vergleichbare Kampagne auch Deutschland gut tun. Oder?

(via Globolibro)

Bibliotheken hoch im Kurs (von Potsdam bis Chicago)

Leser in der SLB Potsdam (Photo Rainald Gohr)

Während die Stadtbibliothek in Potsdam zum ersten Mal seit zehn Jahren steigende Benutzerzahlen meldet (Auswertung der Ausleihstatistik 2008 ergibt Modellnutzer: „Krimifan mit Modemacke„), wird aus den Vereinigten Staaten berichtet, dass dort Bibliotheken eine zunehmend wichtige Rolle im Zusammenhang mit der Wirtschaftskrise spielen. Der amerikanische Bibliotheksverband wies schon mehrfach auf die dramatisch gestiegenen Nutzerzahlen hin, die direkt auf Weiterbildungs- und Jobsuche zurückgeführt werden. (Nachtrag 14.4. auch MAZ hat dies am 4.4. gemeldet, via Netbib: „Aufschwung durch bessere Ausstattung“)

Hierfür sind die amerikanischen Bibliotheken ja auch gut aufgestellt, da sie immer schon den praktischen Nutzenaspekt in den Vordergrund gestellt haben. Eine neue Funktion bereitet den Bibliotheken allerdings Sorgen. So beschreibt die International Herald Tribune am 4. April 2009 aus der Arlington Heights Memorial Library, nicht nur die zunehmende Zahl der Jobsuchenden in der Bibliothek, sondern schildert auch drastisch die psychologischen und sozialen Konsequenzen der Arbeitslosigkeit. Bibliothekare werden hier immer mehr zu Sozialarbeitern, die abends die Obdachlosen betreuen müssen und immer öfter auch mit Gewalt konfrontiert werden, die sich in den Freiraum der Bibliotheken ausbreitet. Sie sind zwar „Häfen im Sturm“ der Wirtschaftskrise, aber die Menschen bringen ihre Depression und Aggression mit in diesen Hort. Die Bibliothekarinnen fühlen sich überfordert in dieser neuen Rolle:

Bibliothekarin in Arlington Heights (Vorstadt von Chicago)

„I guess I’m not really used to people with tears in their eyes,“ said Rosalie Bork, a reference librarian in Arlington Heights, a well-to-do suburb of Chicago. „It has been unexpectedly stressful. We feel so anxious to help these people, and it’s been so emotional for them.“

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Bewegte Bilder in Medienarchiven: wo bleibt die Nachfrage?

Das CineArchiv Digital hat gestern eine sehr gut besuchte Tagung als BMBF unterstützes „Innovationsforum“ veranstaltet mit einiger Beteiligung von HPI und FHP. Unter dem Thema Multimedia/AV kommen die Grundbedingungen der Informationsarbeit gut zum Vorschein: wichtig ist immer noch die Trias: Sammeln – Erschließen – Vermitteln, aber das Hauptproblem ist das Geschäftsmodell und die (ausbleibende) Nachfrage der Nutzer. Oder ist 10% viel?

Schön nachzulesen bei „Hello – My Barcode is“ von Andreas Klisch.

Fundierte Kritik: Web2.0 ist böse!

Die März Ausgabe von FirstMonday fasst das zusammen, was alle schon immer gedacht haben: Web2.0 ist nur eine von geheimen Wirtschaftsmächten getriebene Blase und noch dazu eine böse. Das ist schon erstaunlich bei FirstMonday zu lesen:

Preface: Critical Perspectives on Web 2.0
Michael Zimmer

Market Ideology and the Myths of Web 2.0
Trebor Scholz

Web 2.0: An argument against convergence
Matthew Allen

Interactivity is Evil! A critical investigation of Web 2.0
Kylie Jarrett

Loser Generated Content: From Participation to Exploitation
Søren Mørk Petersen

The Externalities of Search 2.0: The Emerging Privacy Threats when the Drive for the Perfect Search Engine meets Web 2.0
Michael Zimmer

Online Social Networking as Participatory Surveillance
Anders Albrechtslund

History, Hype, and Hope: An Afterward
David Silver

Vielen Dank, Ed Valauskas, für diese erfrischende Ausgabe, deren Zielrichtung uns Michael Zimmer in der Einleitung so zusammenfasst:

The goal of this special issue on Critical Perspectives on Web 2.0 is to remove the blinders that Neil Postman warns us of, and in reading the essays that follow, we hope to help and expose, explore and explain the ideological meanings and the social, political, and ethical implications of Web 2.0.

Allerdings kommen wir mit den Statements nicht wirklich weiter. Zimmer selbst muss auf Neil Postmans Vor-Internet-Essay Technopoly rekurrieren, und auch die anderen Beiträge sind nicht gerade Empirie geschwängert oder argumentativ stringent. Einen Versuch ist es aber sicher wert; viele Aspekte erinnern ja doch an die Weizenbaum Debatte oder den digitalen Maoismus. Gut, wenn dies wiederholt wird. Am meisten gefällt mir Kylie Jarretts Text (nicht nur weil sie auf Foucault kommt…).