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Aktionsrat Bildung: alles ist gut!

Wunderbar. Endlich erklärt uns ein gewichtiges Expertengremium, dass es eigentlich alles gut läuft mit der Reform der tertiären Bildung in Deutschland. Der Bolognaprozess sei in erster Linie eine Markenbildung (verstehe), bei der es darauf ankomme, die Sozialkompetenzen zu erhöhen z.B. durch Alteritätserfahrung (mmh, verstehe ich das?).

Der Bologna-Prozess impliziert auch ein verändertes Modell des Lernens, dem zufolge kompetenzorientierte, aktivierende Lehr- und Lernformen in den neuen Studiengängen gestärkt werden sollen. Hinsichtlich des Erwerbs globalisierungsrelevanter Kompetenzen müssen eine Reform der Studiengänge in Richtung eines veränderten Grundverständnisses erfolgen und solche Kompetenzen gestärkt werden, die in einer globalisierten Welt erforderlich sind: Ambiguitätstoleranz, Entscheidungsfähigkeit und Transferfähigkeit. Aber auch unmittelbar globalisierungsrelevante Kompetenzen wie Fremdsprachenkenntnisse oder interkulturelle Kompetenz gewinnen an Bedeutung.

Die neuen Studiengänge müssten sich nur mehr nach dem Arbeitsmarkt richten, dann würde alles gut. Das verstehe ich allerdings dann nicht mehr: wie kann durch das aktuelle zunehmend verschulte und sich zusammenziehende (verkürzende) Bildungssystem „Transferfähigkeit“ und „Ambiguitätstoleranz“ (übrigens ein ganz wichtiges Schlagwort in der Bibliothekarsausbildung) gelernt werden, wenn noch nicht mal die Zeit reicht für ein Auslandssemester? Und was ist „Transferfähigkeit“ nichts anders als „abstraktes Denken“. Lernt man das durch Auswendiglernen und Creditpunkte sammeln?

Interessant vor allem, dass der zweite von der Informationszentrale der Bayerischen Wirtschaft in Auftrag gegebene Bericht unter dem Titel „Bildungsrisiken und -chancen im Globalisierungsprozess„erscheint und unter anderem den „sprunghaften Fortschritt neuer Informations- und Kommunikationstechnologien“ als Motor notwendiger Veränderungen im Bildungssystem benennt. Natürlich stelle ich mir dabei dann die Frage, was denn die verstärkte Ausrichtung auf den Arbeitsmarkt im Hinblick auf „neue Marktsegmente“ für neue Studiengänge bedeutet: brauchen wir also mehr MOS‘ (Microsoft Office Specialists, da hat ja MS einen Markt geschaffen!) oder mehr Spezialisten zur Sichtung und Bewertung der Informationsfluten?

Wir in Potsdam versuchen – Don Quichotte ähnlich – der technokratischen Bildungsfront immer noch die Stirn zu bieten: vgl. die Pressemeldung von heute.

Vgl. auch die schöne Einschätzung des „Expertengremiums“ bei Telepolis.

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IKT Branche unzufrieden mit Hochschulen

Der Berlin-Brandenburger Verband der Informations- und Kommunikationsindustrie (SIBB) ist unzufrieden mit der Kooperation mit den Hochschulen! In seinem Report zur Entwicklung der IT-Branche ist er recht optimistisch, was die Auftragslage angeht, konstatiert aber einen Rückgang der Zufriedenheit seiner Mitglieder mit den Hochschulen.

Die Informations- und Kommunikationsindustrie in Berlin und Brandenburg – IKT – ist im Jahr 2008 weiter auf Erfolgskurs. Der erstmals veröffentlichte SIBB-Branchenindex der führenden Querschnittsindustrie steigt im Vergleich zum Vorjahreswert um 3 auf über 60 Punkte. Damit setzt sich der Aufschwung in der regionalen
IT-Industrie mit noch positiveren Vorzeichen fort.
Der Geschäftsklimaindex würde noch positiver ausfallen, hätten die befragten IT-Anbieter aus der Hauptstadtregion die Zusammenarbeit mit Hochschulen nicht deutlich negativer bewertet. Der Wert zu Kooperationen mit Wissenschaft und Forschung sank im Vergleich zu 2006 und 2007 nochmals deutlich ab. Damit werden zunehmend gegenläufige Interessen von regionaler Wirtschaft und Wissenschaft sichtbar.

Während auch das BMWi in der IKT Branche den Wachstumsmotor für Deutschland sieht (vgl. die Studien „Monitoring Informations- und Kommunikationswirtschaft“), scheint auf der Hochschulseite eher Selbstbeschäftigung mit „Studienreformen“ an der Tagesordnung zu sein.

Besonders in der reichen Hochschullandschaft in Berlin-Brandenburg erstaunt die Aussage der SIBB-Branchenmitglieder zunächst. Denken wir aber an die Bachelorisierung und die zersplitterte Projektförderung so kann man die Entwicklung schon verstehen. Es hat also nicht wirklich etwas mit den Hochschulen zu tun, sondern mit der Hochschulpolitik!

Heise zitiert dazu Norbert Gronau, den Potsdamer Wissensmanagament-Guru, mit ähnlicher, aber eher interner Problemeinschätzung, ja Entschuldigung:

Der Potsdamer Wirtschaftsinformatiker Norbert Gronau machte dafür unter anderem einen Generationswechsel im Lehrpersonal an den Unis verantwortlich, durch den aufgebaute Beziehungen zur Industrie zunächst gekappt würden. Zudem würden die Zyklen der Ausbildung in beiden Sektoren nicht mehr so gut miteinander harmonieren.

Hier der Report2008 der SIBB (verspätet auf der Website).

SLB Potsdam wird Wissensspeicher


Gestern hat die Stadtverordnetenversammlung der Stadt Potsdam, dem Standortentwicklungskonzept (SEK) zugestimmt. (Potsdamer Neueste Nachrichten: Grünes Licht für SEK!) Das Land Brandenburg stellt Strukturentwicklung mittels Fördergeldern in Wachstumskernen in Aussicht in einem eigenen Landesinnovationskonzept.
Eine von vier sog. Leitbildebenen ist „Potsdam als Wissensstadt“. Dazu ist beschlossen worden, die Stadt- und Landesbibliothek zum „Wissensspeicher“ auszubauen – vorausgesetzt das Land bzw. EU finanziert. In der Prioritätenliste steht damit die Stadtbibliothek an vierter Stelle der unabdinbaren Maßnahmen. Wichtig ist, dass hier in der Tat der Wert der Bibliothek für die wirtschaftliche und gesellschaftliche Stadtentwicklung betont wird. Die anderen (höherprioritären) Maßnahmen sind ebenfalls Infrastrukturprojekte wie die Anbindung an den Flughafen BBI, die zentrale Trambrücke in der Innenstadt und die „Wissenschaftsbahn“ zwischen Golm und Griebnitzsee.

„Entstehen soll eine Kombination aus klassischer Bibliothek, einem Medienzentrum und Ort der Informationsvermittlung, der Kommunikation und Begegnung in der Stadtmitte („Wissensspeicher“). Inhaltliche Schwerpunkte sind neue Medien, die schulische und betriebliche Aus- und Weiterbildung und die Unterstützung der Wirtschaft im Bereich des Wissensmanagements. Im ersten Schritt soll dazu im Zuge der Sanierung ein Raumangebot für die Transferplattform Wirtschaft – Wissenschaft geschaffen werden. Als öffentlicher Ort der Kultur in der Mitte Potsdams ist die Bibliothek auch Raum für Kommunikation und Integration.“

Vor allem der Punkt „Raumangebot für die Transferplattform Wirtschaft – Wissenschaft“ ist innovativ. (Dank an Complan)

Ob die dringend notwendige Investition in das Gebäude tatsächlich aus dem Altpapierlager (Umlauf) den Ort für Kommunikation und Integration macht, wird zu beobachten sein. Noch wichtiger wäre IMHO die Aufstockung des laufenden Etats.

Zunächst wünschen wir viel Glück für den noch notwendigen Kabinettsbeschluss.

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