Bibliotheken und Bibliothekswissenschaft: raus aus der Komfortzone! Beobachtungen auf dem Panel „(Öffentliche) Bibliotheken in Forschung und Lehre“

Panel zu „Bibliotheken in der Lehre“ IBI/HU am 4.12.2018

Die vom Institut für Bibliotheks- und Informationswissenschaft der Humboldt Universität zu Berlin (HU) initiierte Podiumsdiskussionen reagierte auf das offensichtliche Verschwinden des Themas „Bibliothek“ an den deutschen Hochschulen speziell an der HU. (Die Veranstaltung wurde professionell aufgezeichnet!) Ein Problem, das im angloamerikanischen Raum vor ca. 15 Jahren unter dem Stichwort „Dropping the L-Word“ (=„Library“-School) auch schon in der Diskussion war. In unserem europäischen bibliothekswissenschaftlichen Projekt ALMPUB wurde interessanterweise von den ausländischen Kollegen mehrfach konstatiert, wie weit Deutschland stets hinter den internationalen Diskussionen her ist. 

Die Diskussion vergangenen Dienstag (4.12.2018) fand bezeichnenderweise in einer wissenschaftlichen Bibliothek (WB) statt, obwohl doch die „Öffentliche Bibliothek“ (ÖB) thematisiert werden sollte. Der Leiter der Universitätsbibliothek der HU, Prof. Degkwitz, eröffnete die Veranstaltung mit Hinweisen auf die aktuelle Erfolgsstory der Stadtbibliotheken mit Roboterparks, Bibliotheksfestivals und der Eröffnung spannender „Dritter Orte“ in vielen deutschen Städten. Dabei erwähnte er äußerst lobend den positiven Einfluss, den die Herausgabe und deutsche Veröffentlichung von Expect More von David Lankes (durch mich) gehabt hat.

Hier beginnt meine Irritation: wie kann es sein, dass einer der führenden Universitätsbibliothekare Deutschlands nicht sieht, dass es sich um eine grundsätzlich neue Rolle für Bibliotheken handelt, die die großen WBs genauso betrifft wie die „kleinen“ ÖBs? Warum fragt er sich nicht, warum seine Nutzer vorwiegend die illegalen Schattenbibliotheken nutzen und nicht seine tollen Daten und Informationsdienste? Dafür zieht er sich darauf zurück, dass ja die Revolution „nur“ in den armen ÖBs stattfindet. Stattdessen bleiben die WBs in der Komfortzone der Datenverifikation der postfaktischen Gesellschaft und einer Hypostasierung der Computerphilologie der 1980er Jahre, d.h. dort wo es aktuell Geld gibt von der offiziellen Digitalisierungsideologie.
Es gab erstaunlicherweise zwei Panels: eines zu Forschung und eines zu Lehre: und das an der Universität, dessen Namensträger für eine Integration von beiden steht: keine akademische Lehre ohne Forschung und umgekehrt. Und es kam, was kommen musste: der Forschung wurde vorgeworfen, im Elfenbeinturm zu sein (und zwar ernsthaft, wiederholt und vehement). Von gleicher Seite kam aber auch das Geständnis keine Forschung zu kennen, außer den Abschlussarbeiten, die man selber mitbetreut hätte. Gerne hätte ich wirklich mehr gehört was es denn für Elfenbein-Forschung gibt, die sich mit Bibliotheken und speziell Stadtbibliotheken beschäftigen und ihnen bei der Weiterentwicklung helfen. Ich habe eher den Eindruck, dass der Elfenbeinturm-Eindruck deshalb entsteht, weil man die Forschung nicht sieht, weil es sie gar nicht gibt. Der Hinweis darauf, dass ein großer Anteil von Abschlussarbeiten (Bachelor und Master sich mit ÖB Themen beschäftigten würde mir an dieser Stelle nicht ausreichen. An den Hochschulen zumindest können wir ja die „Forschung“ durch unsere Absolventen nicht wirklich als unsere Forschung verbuchen…
Der Hinweis von Karsten Schuldt, der einzelne Untersuchungen zu Schweizerischen Bibliotheken gemacht hat (sowie zu Schulbibliotheken und der Bildungsfrage für Bibliotheken), dass es sich hier oft um zwar nachgefragte, aber dann gar nicht genutzte konkrete Beratungsleistungen handelt, zeigt ähnlich wie in anderen Disziplinen das typische Theorie-Praxisphänomen auf, dass „Forschung“ eines bestimmten Bereichs von dem Bereich selber nicht zur Kenntnis genommen oder zumindest nicht umgesetzt wird (Schulforschung vs. Schulunterrichtspraxis). Die Situation in der Schweiz ist allerdings zusätzlich eine andere als in Deutschland, weil es hier offensichtlich auch andere Finanzierungssituationen gibt und die Hochschulen sich teilweise aus realen Gelder tatsächlich refinanzieren müssen und Forschung nicht wie in Deutschland mit dem Spielgeld von DFG und BMBF geschieht.
Bezeichnend zum Theorie-Praxis Problem war denn auch die Forderung der Praxis vom Podium, es solle mehr Weiterbildungen geben, die wissenschaftliche Erkenntnisse vermitteln. Meine Erfahrungen sind aber eben leider genau die, dass Wissensvermittlung in Weiterbildungskursen nicht gut ankommt, weil „zu theoretisch“. Auch unsere Studie vor Jahren zu der Frage, wie sich Bibliotheken über Trends und Innovationen informieren belegte ja deutlich ein allgemeines Desinteresse an neuen Erkenntnissen: man bleibt auch in der ÖB lieber in der Komfortzone des Business as usual (vgl. Hobohm, H.-C. (2009). Wie werden innovative Ideen aufgespürt und umgesetzt? Qualitative Erhebung zu Environmental Scanning und Trendbeobachtung an deutschen Bibliotheken. BuB. Forum Bibliothek und Information, 61(6), 454-459.)
Das zweite Panel zu Lehre und Ausbildung zum gehobenen Dienst war noch problematischer: es gab nicht nur die Klage über nicht existierende nebulöse Elfenbeintürme, hier wurden die Forderungen an dieses Gespenst Hochschule noch drastischer. Nicht nur wurde gefordert, dass wir verhindern, dass Literatur- oder Datenliebhaber und introvertierte Bibliotheksfans unsere Studiengänge wählen (also Auswahlverfahren außerhalb von NC einzurichten), es wurde den Hochschulen sehr konkret eine Palette von Module ins Stammbuch geschrieben, was denn alles unterrichtet werden solle. Ich habe sogar den Eindruck, dass das die über 20 Module, die gefordert wurden, nicht ironisch gemeint waren. Es lachte auch keiner – vor Entsetzen über so viel Unkenntnis der Hochschulrealitäten.
Gerhard Hacker, HTWK Leipzig, brachte es auf den Punkt, dass wir nur ein/zwei Menus liefern können mit den vorhandenen Köchen und Rezepten. Wenn man eine so große Vielfalt wolle (die eierlegende Wollmilchsau), solle man vielleicht doch einen anderen Lieferdienst auswählen. Wir müssen mit unseren Ressourcen effizient und strategisch umgehen. Mein Argument war in diesem Zusammenhang, dass ich tatsächlich aus den Stellenausschreibungen des letzten Vierteljahrs nicht den von den anwesenden ÖB-Praktikern empfundenen Boom an Stellen in diesem Bereich feststellen konnte (nicht gezählt habe ich dabei befristete und Teilzeit Stellen).

Wir leben im Conceptual Age (Dan Pink 2006, fig. 3.2)

Die Moderatorin dieses Panels, die Vorsitzende der KIBA, Prof. Frauke Schade, Hamburg, brachte dann den interessanten Hinweis auf Simon Sinek ein, mit dem man die Frage nach dem Kern der Ausbildung für Leitungspositionen auf den Punkt bringen könne: die Erfolgreichen Organisationen fragen zuerst nach dem Warum (First ask why) und dann nach dem Was ihres Angebotes. Traurigerweise konterkarrierte sie ihre eigene Anregung, indem sie dann in der Schlussmoderation sagte, wir wüssten ja genau, was der Kern bibliothekarischer Arbeit sei, nämlich Sammeln, Erschließen, Vermitteln … (im Video: 3:24:00 ff). Ich denke, dass auch die Ausbildung (die m.E. nicht existierende Bibliothekswissenschaft aus der Komfortzone „Bibliotheken = Informationseinrichtung“ heraus müssen. Das erstaunt um so mehr, als dass Frauke Schade als Marketingexpertin bekannt ist. Und die zentrale Aussage der Marketingtheorie ist schon unwiderlegt seit Jahrzehnten, dass man mit der Feststellung des Kernproduktes (nämlich des Kundenproblems) beginnen muss, erst dann kann man das Wie (z.B. Distributionskanäle) bestimmen und das Was (das eigentliche Produkt: Sammeln …) machen. Auch hier liegt m.E. ein grundlegende Missverständnis der aktuellen „Marktentwicklung“ vor. Wir befinden uns nicht mehr im „information age“, in dem man Informationen oder Informationsmedien sammelt und vermittelt, das können andere sehr viel besser (Google, Library Genesis …). Wir befinden uns mittlerweile im „conceptual age“ (Dan Pink (2008). Unsere kreative Zukunft: Warum und wie wir unser Rechtshirnpotenzial entwickeln müssen (Dt. Erstausg.). München: Riemann.) Und man/frau sollte sich fragen, warum wir uns Bibliotheken leisten, bzw. warum diese so vehement genutzt und von Bürgern gefordert werden: first ask why! So wie dies Aat Vos beim Neubau von Bibliotheken macht: Biblo Tøyen (Oslo), Köln Kalk, etc.

Mein „Statement auf dem Podium ab 2:09:24

Bei diesen geänderten Rahmenbedingungen könnte man auf die Idee kommen, dass wir nicht mehr im alten Sinn „Knowledge Workers“ brauchen, sondern „creators und empathizers“. Mein Punkt auf dem Podium, der vielleicht hier noch mal klarer gemacht werden sollte, ist der, dass wir vor allem für die mit dem Bachelor-Niveau (und darüber) angestrebte Hierarchieebene die Frage des Warum (= Marketing = Kulturwissenschaft + Wissenschaftssoziologie) fokussieren sollten sowie besonders Wert legen sollten auf Schlüssel- und Metakompetenzen wie kognitive Kompetenz (vgl. unser Forschungsprojekt AKIB) und Social Skills für Servicekonzeption und Personalmanagement: auch hier liefert die gemeinsame Lektüre von Dan Pink und Simon Sinek die – wenn auch abstrakte – Fokussierung: Vertrauen und Kooperation machen den guten Manager aus (siehe sein TED Talk). Der „Rest“ des Fachwissens und der konkreten Fertigkeiten wird sowieso aufgrund der zunehmenden Geschwindigkeit der Entwicklung bei zu großer Konkretheit sehr schnell obsolet sein und sich „on the job“ anpassen müssen.
Aber auch für diese Denkweise müssen wir alle aus der Komfortzone!

3 thoughts on “Bibliotheken und Bibliothekswissenschaft: raus aus der Komfortzone! Beobachtungen auf dem Panel „(Öffentliche) Bibliotheken in Forschung und Lehre“

  1. Frauke Schade

    Die Frage, was Bibliotheken im Kern ausmacht, ist eine Frage nach ihrer Identität in einem sich stetig diversifizierenden Aufgabenfeld. Die Kernfunktionen von Bibliotheken bieten hier – vor dem Hintergrund der hohen Dynamik gesellschaftlicher und technologischer Entwicklungen – einen Ausgangspunkt, diese Identität zu beschreiben, aber auch zu hinterfragen, zu modifizieren und weiterzuentwickeln. Dies ist deshalb wichtig, damit Bibliotheken für die Gesellschaft im Kern erkennbar bleiben, also nicht etwa mit einem Gemischtwarenladen, einer Spielhölle, einem Straßencafé oder einer Suchmaschine verwechselt werden. Die Frage nach der Identität von Bibliotheken tangiert dabei immer Frage ihrer Legitimität. Sie stellt damit immer die Frage nach dem Warum? Sie erkennt an, dass Legitimität nur durch die Zuschreibung von Dritten („Bibliotheken sind relevant“) und nicht etwa durch Selbstzuschreibung („Wir sind wichtig“) erworben werden kann. Sie erkennt an, dass Legitimität im Prozess der öffentlichen Meinungsbildung stets neu verhandelt wird. Legitimität misst sich dabei an der Fähigkeit, gesellschaftliche und technologische Entwicklungen zu antizipieren und diesen mit relevanten Angebot zu begegnen; Angebote, die gebraucht, gewollt und als wichtig eingeschätzt werden.

    Die Frage der Identität ist im Marketing die Frage nach der Marke. Die Marke bringt auf Punkt bringt, was die Organisation und/oder ihre Angebote im Kern ausmacht und warum! dies relevant ist. Die Marke schafft dabei Differenzierung und Orientierung und unterstützt Organisationen dabei, sowohl Bekanntheit als auch Nachfrage zu steigen. Ziel des Marketings ist dabei insgesamt, die Entwicklung gesellschaftlich relevanter Angebote, die einen Wert und Mehrwert haben, um eine Nachfrage zu erzeugen und – gerade bei öffentlich finanzierten Einrichtungen wie Bibliotheken – Legitimität zu bewahren. Gerade im Non-Profit-Marketing ist die Frage nach dem Warum immanent.

    Simon Sinek kommt bei seiner Einschätzung, was erfolgreiche Unternehmungen ausmacht nicht von ungefähr zu dem Schluss, dass diese stets nach dem Warum fragen. Für Bibliotheken gilt dies einmal mehr. Dies wurde im Kontext von Berufsfeld und Marketing für Bibliotheken nicht nur auf dem Podium, sondern auch in zahlreichen Veröffentlichungen vielfach dargestellt.

    An diesem Blogbeitrag zur Podiumsdiskussion ist nicht nur irritierend, wie dürftig der Blogbeitreiber offensichtlich die einschlägige Fachliteratur kennt, sondern auch, wie selektiv und willkürlich ein Informationswissenschaftler mit dem Informationsaustausch auf einem Podium umgeht, dessen Ziel – eigentlich – die Verständigung zwischen Berufspraxis und Hochschulen war. Hier stellt sich in der Tat die Frage: Warum?

  2. Hans-Christoph Hobohm Post author

    Liebe Frau Schade, ganz herzlichen Dank, dass Sie dieses Forum wählen für die Fortsetzung der Diskussion! Nehmen Sie es einem „grumpy old man“ nicht so übel, wenn er es, wie Sie vielleicht auch, bedauert, dass seine Publikationen nicht zur Kenntnis genommen werden. Unsere kleinen Differenzen, den Kern von Marketing betreffend, sind ja auch nicht persönlich gemeint! Das „warum“ des Tenors meines Beitrag, können Sie sicher in der Situation in Potsdam suchen (vgl. den folgenden Blogbeitrag). Wenn ein Verterter der guten Praxis zum Schluss der Diskussion von Empörung und Resignation spricht, habe ich jedenfalls den Eindruck gewonnen, dass ein wirklicher Dialog noch weit entfernt ist. Aber jeder kann sich ja in der Aufzeichnung davon ein eigenes Bild machen. Mein Tagebucheintrag hier ist dazu bestimmt sehr verzerrt und persönlich.

  3. Ulla Wimmer

    Lieber Herr Hobohm, LIebe Frauke,

    ja, die Diskussion wirkt noch bei uns allen nach, unsere Mittagspausen und Flurgespräche sind voll davon. Auch Karsten Schuldt arbeitet sich daran ab, hier: https://bildungundgutesleben.wordpress.com

    Sie hat so viel aufgeworfen, dass ich selbst gar nicht weiß, an welchem Punkt jetzt am Besten weiter zu diskutieren wäre. Einfach und schnell ausdiskutieren könnte man die unsägliche Forderung nach einem Persönlichkeitstest als Eingangskriterium für StudienbewerberInnen fürs Bibliotheksfach, zur Aussortierung von introvertierten BewerberInnen, oder die Forderung, die Hochschulausbildung solle überwiegend praktisch sein, oder der Wunsch nach weniger „Wissenschaftlichkeit“ – das würde direkt zur Ent-Akademisierung des Berufs und in letzter Konsequenz zur Abwicklung der Hochschulinstitute führen, wie Frauke Schade am Ende viel zu leise bemerkte. Bye-bye, Bachelor!

    Interessant, in der Umsetzung aber (für die Bibliotheken UND die Hochschulen) nicht einfach ist die Idee von Ihnen, Frau Schelle-Wolff, duale Studiengänge in Erwägung zu ziehen. Letztlich war sowas ja im WB-Bereich lange üblich und wir haben das ja noch in Randgebieten, nämlich in der verwaltungsinternen Ausbildung in Bayern und im Referendariat. Sowas geht, wenn überhaupt, nur für einen sehr kleinen Teil der Studierenden. Der gewünschte schnelle Output an Fachkräften ist damit sicher nicht zu erlangen, im Gegenteil. Und ganz sicher würde auch dies nicht die Freiheit von Forschung und Lehre der Hochschulen aushebeln, die als Konzept in der Bibliothekswelt (das scheint mir ein grundlegender Aspekt der Diskussion zu sein) nicht angekommen ist. Und die Notwendigkeit, den Studierenden Dinge zu vermitteln, die nicht auf genau einen späteren Arbeitsplatz zugeschnitten sind, sondern auf eine Vielzahl von möglichen Aufgaben und Anforderungen (weil man nämlich heute noch nicht genau weiß, welches Bibliothekssystem in 10 Jahren en vogue sein wird, oder was die Leute in 10 Jahren alles können sollen).

    Reflektierter verlief die Frage nach den relevanten Forschungsanliegen im Bereich der Öffentlichen Bibliotheken. Lieber Herr Schuldt, Sie haben im Nachhinein in Ihrem Blog fast alle Forschungsthemen, die Frau Koop und Frau Schmidt benannt hatten, als unmöglich zerlegt (was ich in etlichen Punkten nachvollziehen kann, an anderen nicht). Ich betrachte Ihre Blog-Beiträge als „Teil 1: Das geht alles nicht“. Jetzt fehlt m.A.n. noch „Teil 2: Das *geht* und ist aus meiner Sicht sinnvoll.“ Bitte aktuell nochmal, auch wenn Sie das „an anderer Stelle“ schon mal gemacht haben!

    Ich als relativer Neuling in Akademia (bin als Hochschulmitarbeiterin ja immerhin erst 6 Jahre alt!) habe die Hoffnung auf einen neuenAnlauf für Wissenschaftstranfer (ausgehend von den bisherigen misslungenen Versuchen) noch nicht ganz aufgegeben. Und ich denke, viele offene Fragen – z.B. was die „Akzeptanz von Bibliotheken“ oder die *Fixierung* auf externe Akzeptanz angeht – könnte man durch genaues Anschauen der eigenen Profession und durch Vergleich mit anderen, ähnlichen Professionen (Frauenberuf, Akademisierung Anfang der 70er Jahre, sozialer Bereich) erklären bzw. anders wahrnehmen oder gar „auflösen“. Was die Bibliotheksarbeit angeht, wäre ich dafür, dort zu forschen, wo 90% der Bibliotheksarbeit stattfindet: in sehr kleinen und kleinsten Gemeindebibliotheken. Das ist auch eine Zwischenbilanz meiner eigenen Forschungarbeit (in 40 Minuten zusammengefasst hier:
    https://www.ibi.hu-berlin.de/de/bbk/abstracts/ws1819/Bibliotheken)

    Forschung und Lehre hängen untrennbar zusammen, das ist natürlich richtig. Der Grund, warum wir bei der Veranstaltung die Panels künstlich in „Forschung“ und „Lehre“ getrennt haben, (abgesehen davon, dass man bei zwei Panels die Zahl der DiskutantInnen und damit der Meinungen verdoppeln kann 🙂 ist folgender: Die Frage nach „Ausbildungs“-inhalten ist im Bibliotheksbereich so dominant, dass sie sich in jeder Diskussion in den Mittelpunkt drängt und kein Mensch mehr über Forschung spricht. Das war hier aber das Ziel. Also war die Trennung eine Art „Forschungs-Quote“, um diesem Aspekt eigenen Raum zu sichern. (Selbstverständlich kann man Abschlussarbeiten auch als Forschungsleistung des Instituts ansehen. Da sollten Sie, Herr Hobohm, unseren Input in Forschungsfrage, -methode und Darstellung nicht so gering schätzen!)

    Auf einer Podiumsdiskussion wird gern dick aufgetragen und stärker polarisiert, als dies in der täglichen Arbeit und im persönlichen Gespräch der Fall ist. Das macht die Wirkung der Diskussion stärker (immerhin diskutieren wir heute immer noch), aber nur, wenn man Lust hat, das „Polarisierungs-Spiel“ mitzuspielen bzw. es als solches erkennt. Das ist – sorry – auch (männliche) Streitkultur. Viele KollegInnen (in der Mehrheit Frauen) haben darauf keine Lust bzw. möchten/können „die öffentliche Debatte“ nicht von ihrem persönlichen Berufsverhalten trennen, beziehen also das Gesagte auf ihr persönliches Verhalten. Und dieser Faktor behindert (blockiert geradezu) die Diskursteilnahme. Ich versuche gerade, das nicht mehr zu tun, aber es ist schwer.

    Der wichtigste Satz der Diskussion am Dienstag kam (wie viele gute Sätze) von Ihnen, Herrn Hacker: wir werden das Theorie-Praxis-Problem und die Meinungsunterschiede über die „richtigen“ Lehrinhalte so einfach nicht lösen. Der einzige Weg ist, im Dialog zu bleiben.

    Gerne auch im weniger krawalligen Dialog. Und darauf möchte ich bestehen: immer in der direkten Anrede. Wir sprechen miteinander, nicht über einander.

    Viele Grüße, Ulla Wimmer

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