Besprechung in IWP

Screenshot aus IWP (https://doi.org/10.1515/iwp-2025-2030)

Nach der fulminanten Besprechung meines Buches in „Bibliothek. Forschung und Praxis“ [1] erscheint nun eine ebenso positive Besprechung im informationswissenschaftlichen Flaggschiff „Information. Wissenschaft&Praxis“ (IWP) [2].

Für eine Rezension unüblich ergänzt Anne-Katharina Weilenmann ihre Besprechung mit einer Reihe von Literaturhinweisen zum Thema, die auch – teilweise aktueller – im Buch schon zu finden sind. Ihre Gesamteinschätzung aber ist wie erwähnt:

Alles in allem, ein beeindruckendes und faszinierendes Werk!

Auch wenn der Text – ebenfalls unüblich – kurz ist, so ist doch begrüßenswert, dass die Autorin, die Grundstruktur und die Grundgedanken meines Buches sehr klar erfasst hat. „Fachkundige“ Leser:innen schreibt Weilenmann wird ermöglicht, „zu allen wichtigen Aspekten der Informationswissenschaft einen Faden [aufzunehmen], der sich verzweigt, ausweitet und zu Unbekanntem und Neuem führt.“ Das war in der Tat meine Intention. Der Hinweis der Rezensentin, dass das Buch die „Komponente Maschine“ im Konstrukt ‚menschliches Informationsverhalten‘ zu wenig berücksichtige (Stichwort „Brain Computer Interfaces„), mag für die Lesenden eine interessante Irritation sein, entspricht aber eben nicht meiner Intention „Informationsverhalten“ in der Breite zum bisherigen Stand transdisziplinär aufzuarbeiten. Weilenmann selbst lobt, dass ich auf NeuroIS, die österreichische Arbeitsgruppe an der Schnittstelle von Informationswissenschaft und Neurowissenschaft hinweise. Die Ergebnisse dieser Forschungsrichtung verfolge ich jedoch nicht weiter, weil für mich zentral war, wie z.B. die Praxistheorie den Akteur „IT/Medientechnik“ im gesellschaftlichen und menschlichen Bewusstsein einordnet. Aber offensichtlich ist dieser Faden von der Autorin aufgenommen worden. Persönlich finde ich, dass gerade auch ohne im Körper implementierte IT die aktuelle Informationswelt schon äusserst stark auf das Gehirn der Menschen wirkt und das Verhalten auf noch zu wenig verstandene Weise beeinflusst.

Leider kann die Rezension dann doch nicht als Replik auf die studentische Lektüre des Buches in der gleichen Zeitschrift [3] gelesen werden. Diese hatte, wenn auch mit der ihr eigenen Perspektive eine ausführlichere, tiefergehende Darstellung des Buches geliefert.

So ergänzen sich alle drei Rezensionen, die mir bisher bekannt geworden sind, zu einem korrekten Bild und zeigen, dass meine Intention zunächst für die Bibliotheks- und Informationswissenschaft aufgegangen zu sein scheint.

Wichtig wäre jedoch jetzt auch von Lektüren in anderen Disziplinen zu hören. Eine der Hauptideen des Buches war ja, nicht nur der Informationswissenschaft, den disziplinären Kontext durch Selbstreflexion zu erweitern, sondern auch umgekehrt, anderen Disziplinen den Weg zu informationswissenschaftlichen Erkenntnissen zu öffnen. Da wäre ich gespannt zu hören, welche Fehlinterpretationen der Erkenntnisse anderer Wissenschaften mir unterlaufen sind… (Der Verlag schickt gerne noch weitere Rezensionsexemplare)

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[1] Griesbaum, Joachim. „Hans-Christoph Hobohm: Informationsverhalten. (Age of Access? Grundfragen der Informationsgesellschaft, Band 5). Berlin, Boston: De Gruyter Saur, 2024. 444 S., 28 Illustr. Online-Ausgabe: ISBN: 978-3-11-039618-8.“ Bibliothek. Forschung und Praxis, 2025. https://doi.org/10.1515/bfp-2024-0096 (aop)

[2] Weilenmann, Anne-Katharina. „Informationsverhalten“ Hans-Christoph Hobohm. – Berlin, Boston: De Gruyter Saur, 2024 (Age of Access? Grundfragen der Informationsgesellschaft; 5). – 19 + 444 S. Gebunden ISBN: 9783110317848; eBook ISBN: 9783110318463, 104,95 Euro. https://doi.org/10.1515/9783110318463″ Information – Wissenschaft & Praxis, vol. 76, no. 4, 2025, pp. 225-226. https://doi.org/10.1515/iwp-2025-2030

[3] Cicek, Timucin, Schnell, Ines and Ulffers, Julia. „Kollaborative Rezension Informationsverhalten“ sowie „Einordnung einer Buchkritik durch den Informationsnachwuchs“ Information – Wissenschaft & Praxis, vol. 76, no. 2-3, 2025, pp. 137-142. https://doi.org/10.1515/iwp-2025-2009

Rezensionen zum Buch

Es ist für einen Autor immer ein besonderer Moment, zu lesen, wie Leser den eigenen Text aufgenommen haben und beurteilen, und ob sie das Buch anderen empfehlen.

Die erste Lektüre meines Buches wurde dankenswerterweise bereits kurz nach der Veröffentlichung im Wintersemester 2024/25 an der Hochschule Darmstadt von Luzian Weisel (Honorarprofessor für „Information Behaviour“) in einem Masterseminar organisiert. Eine Gruppe von Studierenden erhielt als Seminaraufgabe, das Buch zu lesen und zu rezensieren. Das Ergebnis wurde in Information. Wissenschaft und Praxis im Bereich Newcomer“ mit einem Vorwort von Luzian Weizel als „kollaborative Buchkritik“ veröffentlicht [1]. Der Mut der Studierenden, sich diesem umfangreichen Werk zu widmen, ist wirklich zu bewundern. Naturgemäß hat sich das Dreierteam die Aufgabe aufgeteilt und jeweils auf Teile daraus konzentriert. Daraus folgt z.B. der Vorwurf, der Autor hätte nicht gegendert, was ich jedoch eingangs erläutert hatte. Auch wurde kritisiert, das Buch eigne sich nicht als Lehrbuch und sei für Studierende zu kompliziert. Es ist schade, dass diese Kommentare als Negativeindruck eine Lektüre in einem führenden Fachjournal im Raum stehen bleiben. In der Tat werden vom Verlag auch Studierende als Zielgruppe des Buches genannt, aber in erster Linie ist es doch eher ein transdisziplinärer Beitrag für eine sehr weitgehende wissenschaftliche Diskussion, von der ich aus leidvoller Erfahrung annehmen muss, dass Studierende in den aktuellen informationswissenschaftlichen Curricula selbst im Masterstudium an Hochschulen für angewandte Wissenschaft überfordert sein werden, da doch viele Fachdiskurse aus unterschiedlichen Disziplinen, die ich aufgreife, mehr Hintergrundwissen erfordern, als in den kurzen angewandten Studienabläufen vermittelt werden können. Insofern ist das Buch eher eine Anregung für zukünftige Curricula.

Interessant ist auch das Monitum der Rezensenten, der Autor würde nicht genau genug auf die Quellen referenzieren. Wäre ich auf jede Zentralargumentation eines erwähnten Buches im Einzelnen eingegangen (z.B. der „pauschale“ Hinweis (S: 206) auf Knorr-Cetina: „Die Fabrikation von Erkenntnis“ als Erläuterung des Konzeptes der „material agency“ in der Praxistheorie), dann hätten 444 Seiten bei weitem nicht ausgereicht (mit Seitenangaben wird ja auch üblicherweise nur referenziert, wenn konkrete Passagen oder Textteile genutzt werden, aber das ist dann eher eine Aufforderung an Plagiatsjäger…).

Dennoch gelingt den Studierenden ein sehr guter und ausführlicher Überblick über das Buch und die zentrale Aussage, es handele sich nicht um ein Lehrbuch, wird gut herausgearbeitet. Im aktuellen Sommersemester bekam ich allerdings unerwartet die Gelegenheit, das Buch doch auch selber in einem Bachelorseminar als Lehrmaterial einzusetzen. Natürlich ist es anspruchsvoll, aber mit einordnender Begleitvorlesung habe ich zumindest subjektiv den Eindruck, dass auch Studierende ohne große akademische Vorkenntnisse einiges mit dem Buch und der neuen Sicht auf das Thema anfangen können. Zumindest wenn es auf die aktuelle Lebenswelt der Studierenden bezogen wird in der Rezeption.

Dass das Buch jedoch fachlich die intendierte Wirkung zeigt und von Experten tiefergehend verstanden wird, zeigt dann die aktuelle Rezension von Joachim Griesbaum (Universität Hildesheim) in Bibliothek. Forschung und Praxis [2]. Die beeindruckend ausführlich und gut geschriebene Rezension gibt zunächst einen korrekten und detailreichen Einblick in den Ablauf des Buches und resümiert folgendermaßen:

Insgesamt ist das Werk gerade durch den über das engere Fach hinausgreifenden Blickwinkel vielfältig, komplex und lohnenswert. Das Wissen des Autors ist beeindruckend. Aus der Sicht des Rezensenten ist das Werk ein Glücksfall für die Informationswissenschaft, da es in gelungener Weise eine Vielzahl an Literatur und Perspektiven zusammenführt und sehr gelungen synthetisiert. Gerade das interdisziplinäre Herangehen ist ein zentraler Aspekt, der das Buch für Informationswissenschaftler:innen besonders lesenswert macht. Besonders spannend sind für den Rezensenten die Ausführungen zur menschlichen Informationsverarbeitung im Gehirn bzw. im Gedächtnis.
Das Buch ist durch seine vielfältigen Perspektiven und Wissensressourcen sehr inhaltsreich und „dicht“, was das Lesen stellenweise anspruchsvoll macht. Dies zeigt sich zunächst an einer sehr hohen Zitationsdichte. Leser:innen werden oft in kurzer Folge mit zahlreichen unterschiedlichen Quellen konfrontiert, die alle verstanden sein wollen, was bisweilen anstrengend sein kann.
Mitunter verlaufen Argumentationsstränge etwas unsystematisch, so beispielsweise ab dem Kapitel „Serendipität“ im Teil 3, Abschnitt „Finden“. Dies ist dem Autor jedoch nicht anzulasten. Vielmehr verdient er Anerkennung dafür, dass er weit über das eigentliche Kerngebiet der Informationswissenschaft hinausgeht und dieses Wissen mit zentralen Themen der Informationswissenschaft sowie des Informationsverhaltens verknüpft.
Das Buch ist keine „leichte“ Lektüre. Gelegentlich wird es inhaltlich sehr anspruchsvoll. So wird beispielsweise im Kapitel „Praxis“ versucht, Information und insbesondere Informationsverhalten aus einer ontologischen Perspektive auf unterschiedlichen sozialen Ebenen im Spannungsverhältnis zwischen Individuum und Gesellschaft (Mikro-, Makroebene) zu beleuchten. Hierzu werden zahlreiche Autoren und Erklärungsansätze aus Ökonomik, Soziologie und Philosophie herangezogen, was ein äußerst komplexes Bild ergibt. Dennoch lohnt es sich, sich durchzuarbeiten.
Hobohm stellt den Leser:innen in jedem Kapitel „Kernsätze“ bereit. Diese fassen zentrale Aspekte der jeweiligen Kapitel prägnant zusammen. Vielleicht wäre es für Leser:innen hilfreich, diese bereits vor dem eigentlichen Lesen der Kapitel zu rezipieren, um eine Struktur zur Verarbeitung der Inhalte zu erhalten. Dies erscheint dem Rezensenten als sehr guter Ansatz, um die angesprochene Komplexität für die Leser:innen handhabbar zu machen.
Nach Einschätzung des Rezensenten hat das Werk insgesamt einen hohen Wissenswert. Hobohm präsentiert sich in Informationsverhalten im besten Sinne als Wissenschaftler mit einem weiten Blick. Die Informationswissenschaft kann aus dem dargelegten Wissen zahlreiche Impulse ziehen. Es wäre wünschenswert, wenn das Werk auch in einer englischsprachigen Version erscheinen würde, um es einem noch größeren Leserkreis zugänglich zu machen.

Trotz dieses langes Zitats sei der Gesamttext der Rezension zur Lektüre empfohlen, der „ahead of print“ open access zur Verfügung steht. Ich werde diese Rezension als Musterbeispiel in meinem aktuellen Seminar zur Wissenschaftssoziologie verwenden… Eine weitere Besprechung ist derzeit in Vorbereitung für Information. Wissenschaft &Praxis. Die Autorin, Anne-Katharina Weilenmann, nennt darin – wie ich hörte – das Buch Informationsverhalten  „ein beeindruckendes und faszinierendes Werk“. Wir dürfen gespannt sein auf die Publikation der Rezension.

Schön wäre es natürlich nun auch Besprechungen aus dem nicht genuin informationswissenschaftlichen Kontext zu erhalten, vor allem weil ich ja in vielen fremden Feldern wildere. Über mögliche Hinweise auf interessierte Rezensenten wäre ich dankbar (es gibt noch Rezensionsexemplare).


[1] Cicek, Timucin, Schnell, Ines and Ulffers, Julia. „Kollaborative Rezension Informationsverhalten“ sowie „Einordnung einer Buchkritik durch den Informationsnachwuchs“ Information – Wissenschaft & Praxis, vol. 76, no. 2-3, 2025, pp. 137-142. https://doi.org/10.1515/iwp-2025-2009

[2] Griesbaum, Joachim. „Hans-Christoph Hobohm: Informationsverhalten. (Age of Access? Grundfragen der Informationsgesellschaft, Band 5). Berlin, Boston: De Gruyter Saur, 2024. 444 S., 28 Illustr. Online-Ausgabe: ISBN: 978-3-11-039618-8.“ Bibliothek. Forschung und Praxis, 2025. https://doi.org/10.1515/bfp-2024-0096 (aop)

Nachtrag: vgl. nun auch die Besprechung in IWP (vol. 76, no. 4, 2025, pp. 225-226) und mein Kommentar dazu.

Beitrag in Handbook on Information Sciences

Noch in 2024 ist das „Handbook on Information Sciences„, herausgegeben von meinem Kollegen Peter Heisig bei Edward Elgar erschienen. Jetzt halte ich das physische Exemplar in den Händen.

Es war ein ziemliches Abenteuer, auf das sich Peter Heisig eingelassen hatte: ein Handbuch fast im Sinne unseres LaiLuMu („Grundlagen“ von Kuhlen u.a.) allerdings auf Englisch und in globaler Perspektive und für die Informationswissenschaften im Plural. Die Ko-Herausgeberschaft musste ich seinerzeit ablehnen (gerne hätte ich mitgeholfen), aber ich musste mich auf mein eigenes Buch konzentrieren. Es kann hier nicht der Platz für eine Rezension sein. Nur kurz eine Charakterisierung: 21 Kapitel umfassen praktisch alle Arbeitsgebiete der Informationswissenschaft. Erstaunlich viel Raum erhält die Informationssuche und das Informationsverhalten (4 Kapitel). Aber auch Document Theory, „Wissensorganisation“ oder Knowledge Management werden einschlägig behandelt. Recht viel erfährt man über Methoden und und Datenmanagement. Es wird über Öffentliche Bibliotheken geschrieben, aber nicht über Archive und Museen.

Die Autoren konnten weltweit rekrutiert werden und man begegnet einigen sehr bekannten, aber auch neuen Namen der Zunft. Naturgemäß kommen fünf (Ko-)Autoren aus Potsdam und zwei aus Berlin sowie einige weitere aus Deutschland, Österreich und der Schweiz. Aber auch aus Kanada, den nordischen Ländern, aus Afrika, Südamerika, Hongkong, Australien und Neuseeland kommen Beiträge. Es ist somit meines Wissens das erste Mal, dass die Informationswissenschaft sich global für ein Textbook zusammenfindet!

Als besonders anregend fand ich bei erstem Überfliegen des Gesamtergebnisses den Beitrag von Charles Cole und Tom Wilson „Information Need – what is it“, der mir auch für mein Buch Anregungen gab. Mein eigener Beitrag „Information Behaviour“  widerspiegelt einen Stand der klassischen Informationsverhaltensforschung zum Anfang der Bearbeitungszeit meines Buches. Manche der transdisziplinären Schlussfolgerungen, die ich dort entwickle, konnten wegen des frühen Abgabetermins hier leider noch nicht in den internationalen Beitrag einfließen. Mehr dazu hoffe ich, als Poster auf der kommenden ISI Tagung in Chemnitz vorstellen zu können.

Information – eine Gefahr für die Demokratie?

Bild vom Vortrag

Im Veranstaltungssaal des Museums Altes Land in Jork (Foto: Dr. Janofsky)

Die Lessing-Gespräche in Jork (im Alten Land, nahe Hamburg) erinnern daran, dass Gotthold Ephraim Lessing an diesem Ort am 8. Oktober 1776 die Hamburgerin Eva Koenig heiratete.

Lessings „unbegrenzte Neugier, die alles anstaunt und erkennen will, auf mancherlei Spuren gerät, aber keine bis zum Ende verfolgen konnte, Ansichten zeigt, aber in Gegenden, die oft des Anblicks kaum wert sind“. So beschreibt Lessing seinen Entdeckergeist, der ihn auch heute zum streitbaren Gefährten macht.

Die Gemeinde Jork möchte mit den Lessing-Gesprächen einen Großen ihrer zahlreichen Gäste ehren. Die Lessing-Gespräche sollen ein Forum sein, welches die Gelegenheit gibt, frei, öffentlich und losgelöst von tagesaktuellen und politischen Zwängen über Themen nachzudenken, die sowohl für die kleine Gemeinschaft einer Gemeinde als auch für die weitere Gesellschaft Bedeutung haben. Diese Veranstaltungsreihe soll ein Moment der Besinnung in dieser hektischen Zeit und eine Facette des kulturellen Lebens in unserem ländlichen Raum sein. Die Gespräche finden jährlich im November im Museum Altes Land statt. [Zitat Website].

Welch eine Ehre zu diesem Anlass – und auch noch an einem 9. November – , einen Vortrag zu einem äusserst aktuellen Thema halten und mit angesehenen Vertretern der Gemeinde diskutieren zu dürfen! Die Museumsleiterin Frau Dr. Kai Janofsky hatte mich in ihrem Masterstudium Archivwissenschaft an der FH Potsdam erlebt und nach Jork eingeladen, dieses Thema zu diskutieren. Continue reading

Was sind Informationsvektoren?

Sie sind das, was die Vektoralisten-Klasse besitzt und womit sie die Hackerklasse ausbeutet, aber auch die Kapitalisten bedrängt, sagt McKenzie Wark, eine interessante Medienwissenschaftlerin an der „New School of Social Research“ in New York. Sie war schon 2004 bekannt geworden mit ihrem Hacker-Manifesto (nicht zu verwechseln mit dem Hackermanifest 1986) und hatte 2019 den „Tod des Kapitals“ ausgerufen. (2021 bei Merve auf Deutsch erschienen.)

Die Vektoralisten seien die neue herrschende Klasse geworden und die neuen Produktivkräfte in der „Gesellschaft des Spektakels“ (Guy Debord) seien nun vorwiegend immaterielle Güter wie Information, Wissen, Kultur, Patente, Urheberrechte aber eben auch der Besitz von Algorithmen wie denen der Warenlogistik selber (ihr Beispiel ist hier die Supermarktkette Walmart). Die „Hacker“, imgrunde Wissens- und Kulturarbeiter, Softwareentwickler etc., würden weitaus mehr ausgebeutet als früher die Arbeiter von den Kapitalisten. Wark suggeriert damit, dass „Information“ das neue Kapital ist (ohne auf Castells Informationalismus einzugehen), und dass sich die Produktionsverhältinisse so radikal verändert haben, dass etwas grundlegend Anderes und „Schlimmeres“ (im Orig. „worse„) als Kapitalismus entsteht.

Der Arbeitskreis Gesellschaftsanalyse der Leibniz-Sozietät der Wissenschaften zu Berlin diskutiert in seiner Reihe „Zeitdiagnosen“ regelmäßig verschiedene Autoren, die als wichtige Stimme bzw. einschlägige Analysen der aktuellen gesellschaftlichen Transformation gelten. Letzten Freitag (8.11.2024), habe ich dort dieses Buch von Wark zur Diskussion gestellt. Es war eine angeregte Diskussion, die zwar einhellig die Faszination bestätigten, die von diesem Buch und seiner Autorin ausgeht, gleichzeitig aber auch ebenso einhellig zu dem Schluss kam, dass ihre Analyse nicht wirklich schlüssig ist und ihre Argumente nicht zu Ende gedacht sind. Es ist nicht wirklich etwas Neues, „Schlimmeres“, sondern „einfach nur“ die konsequente, weitergeführte Entwicklung des Kapitalismus ist, wenn es zum Finanz-, Daten-, Überwachungskapitalismus oder zum Informationalismus kommt. Marx und Engels vorzuwerfen, sie hätten die entstehende Informationsökonomie nicht erkannt, weil sie nur von der Dampfmaschine und der beginnenden industriellen Revolution beeindruckt waren, widerlegt nicht ihre grundlegende Kritik und ihre Beschreibung der Funktionsweise des Kapitalismus.

Hier mein Thesenpapier zur Diskussion: Continue reading