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Deutsche Wissenschaftler können plötzlich Chinesisch!

In der InetBib berichtet heute Peter Ahrens von Ex Libris über eine Auswertung der Nutzung im Bereich der Angebote über die DFG Nationallizenzen – im vorliegenden Fall an der UB Düsseldorf. Herausragend ist hierbei die „überaschend“ hohe Nutzung der großen chinesischen Volltextdatenbank „China Academic Journals“.

Besonders erwähnenswert unter den NatLis [Nationallizenzen] scheint das „Abschneiden“ der Archive „China Academic Journals“ (CAJ), die nach Elsevier und ACS (etwa gleichauf mit SPRINGER und WILEY) an Platz drei der absoluten Zahl der OpenURL-Link-requests der ULB Düsseldorf lagen. Insgesamt entfiel etwa 1/6 aller NatLi OpenURL-requests auf die CAJ.

Ebenfalls erstaunt Peter Ahrens die große Nutzung innerhalb der Naturwissenschaften (97% der Nutzung). Die CAJ werden dabei im Übrigen als naturwissenschaftliche Quelle gewertet, obwohl sie beispielsweise auch die „Serie“ Informationswissenschaften:

Serie I: Informationswissenschaften
Radio-electronics, Telecommunication Technology, Computer Technology, Automation Technology, Journalism and Media, Publishing Cause, Library and Information Science, Museology, Archive Science

beinhalten, die aber wohl nicht überall im Angebot ist.

Zu bedenken ist aber vor allem, dass es sich vorwiegend um Texte in chinesischer Sprache (teilwiese mit englischem Titel bzw. Abstract) handelt. Nicht der große Anstieg der Nutzung ist m.E. also verwunderlich, sondern die Tatsache, dass deutsche Wissenschaftler plötzlich so sprachbegabt geworden sind.

Die in InetBib von Peter Ahrens aufgeworfenen Fragen, die auch Matthias Kaun von crossasia/Stabi nicht beantworten kann, sind deshalb nur teilweise zielführend.

  • Wie erklärt sich diese unerwartet hohe Nutzung und welche Schlüsse sind daraus zu ziehen ?
  • in wie weit handelt es sich hierbei nur um einmalige Neugier von Nutzern oder feste Titel- und Zugriffs-Muster (z.B. bei Verfügbarkeit englischer Keywords, Abstracts und ggf. Abbildungen) ?
  • Aus welchem Kontext (Datenbank-Sourcen) werden die Angebote am meisten genutzt?
  • Ist die Nutzung an anderen Hochschulen ähnlich hoch und verteilt?
  • Entspricht die Nutzungsverteilung der allgemeinen nach Fakultäten oder gibt es spezifische Abweichungen?
  • Welchen unmittelbaren und nachhaltigen Einfluß hat eine Ankündigung der Verfügbarkeit und Verlinkung?
  • Wie geeignet und praktikabel ist das hier genannte Verfahren für weitere verlags- und institutions-übergreifende Zugriffs-und Trendanalysen?

Müsste nicht vor einer Lizenzierung die Frage stehen, was die Wissenschaftler brauchen? Dass sie, wenn sie bei einer Suche auf „interessante“ Titel stoßen, diese auch mal anschauen wollen, ist m.E. verständlich. Die Verantwortung der Bibliothekare und Informationseinkäufer müsste aber doch die sein, dass sie nicht noch weiter zur Informationsflut ihrer Nutzer beitragen. Zumindest sollte vor Einstieg in die Suche deutlich gemacht werden, dass man mit dem was man bekommt nix anfangen kann. (Das Abstract hilft da aber wie wir wissen nur in den seltensten Fällen.)

Also nicht zunächst die Frage, „was bewirkt Open Access“, sondern, „welche Art der Information ist notwendig“. Bitte nicht mehr so viel just in case Bibliothek! Mehr in time oder on demand.

D-NB Ort im Land der Ideen 2007

Gestern wurden die Orte im Land der Ideen für das Jahr 2007 bekannt gegeben. Interessant war vor allem das geringe Presseecho. Einzig das Potsdamer Hasso Plattner Institut meldete dies von sich. Musste aber wohl auch wegen des IT Gipfels.

Zum zweiten Mal in Folge ist das Hasso-Plattner-Institut (HPI) im Wettbewerb „365 Orte im Land der Ideen“ ausgewählt geworden. Im kommenden Jahr wird das Institut zusammen mit dem Moses Mendelssohn Zentrum (MMZ), dem Exploratorium Potsdam, der Katjes Fassin GmbH und der Landesregierung Brandenburg ausgzeichnet. Die Kampagne „Deutschland – Land der Ideen“ findet im Auftrag von Bundesregierung und Wirtschaft statt. Beworben hatten sich mehr als 1500 Institutionen, Vereine, Verbände und Initiativen aus ganz Deutschland. Das HPI, am 18. Dezember auch Gastgeber des IT-Gipfels der Bundesregierung, wird mit einer Veranstaltung im Herbst 2007 ausgewählter Ort sein. „ Nur etwa drei weitere Einrichtungen, die sich zum zweiten Mal beworben hatten, konnten die Jury ebenfalls überzeugen“, so HPI-Direktor Christoph Meinel. (PNN Campus Seite)

Ein erstes Überfliegen der Liste der für interessant und innovativ gehaltenen Orte in Deutschland zeigt eine zunächst weit weniger spannende Auswahl als in diesem Jahr – zumindest, was Einrichtungen aus dem weiten Bereich LIS angeht. Soweit ich sehe einzige Bibliothek ist die Deutsche Nationalbibliothek. (Aber auf deren Website ist dazu bis jetzt auch noch nichts vermerkt.)

Ein paar interessante Institute aus dem Informatikbereich sind dabei (DFKI, OFFIS, IDG) und zwei Initiativen zum Wissensmanagement (Wissensfabrik, und WiMip), eine Reihe von Innovations- und Gründerinitiativen, z.B. die FH Brandenburg mit ihrem Gründerservice, die ja Teil, bzw. Partner von BIEM, Lotsendienst, EXIST SEED und BPW sind, in dem unsere Wirtschaftsvorlesung (M9) auch angesiedelt ist.

Beachtenswert m.E. auch die Initiativen My-Life (Sammlung von Lebensschicksalen als Archiv), die Lesewelt München, oder das World Lecture Projekt (Sammlung von Videovorlesungen). Die Orte 2007, die mich auf den ersten Blick interessieren würden, habe ich bei del.icio.us zusammengetragen. (Pech für die, die nicht online sind)

2006 war bekanntlich der Studiengang Interface Design der FH Potsdam einer der Preisträger, das IKMZ Cottbus, die EZB Regensburg, das Philologicum der FU Berlin, die Herzog August Bibliothek, die TIB, die Salzmann Sammlung, die Internationale Jugendbibliothek, das Heinz Nixdorf Computer Musuem, oder der Fraunhofer Standort der ehemaligen GMD.

Sind schon jetzt die Ideen ausgegangen?

Visualisierung von Netzwerken und Informationen

Die Visualisierung von Netzwerken und Informationsstrukturen: ein wichtiges und explodierendes Feld. Die Website visualcomplexity.com sammelt nicht nur alle visuellen Metaphern, sondern gibt auch sehr hilfreiche Lektüreempfehlungen zum Thema Informationsdesign und Informationsarchtitektur.

Der Autor Manuel Lima schreibt in seinem about:

Scale-Free networks, one of the most common topology in either natural or human systems, is curiously enough, a very recent breakthrough. Since its discovery, in 1999, dozens of researchers worldwide have been disentangling the networks around us at an amazing rate. This awareness is helping us understand not only the world around us but also the most intricate web of interactions that shape the human body. The global effort of constructing a general theory of complexity is tremendous and may lead us, not only to a structural understanding of networks, but to major improvements in stability, robustness and security of most complex systems around the globe.

via incom

Von Büchern und Bananen

Abschlusspodium der Tagung

Buchwissenschaftliche Forschung – Bestandsaufnahme und Perspektiven

… war das Thema der diesjährigen (14.) Jahrestagung des Wolfenbütteler Arbeitskreises für Bibliotheks-, Buch- und Mediengeschichte, die vom 9.-11.10.2006 in der Herzog August Bibliothek stattfand. Arbeitskreis und gastgebende Institution sind ganz ehrwürdige Einrichtungen und dementsprechend konnte man überrascht sein von der Aussage der Anwesenden, die Buchwissenschaft sei eine junge Disziplin.

Es wurde die Anekdote kolportiert, dass Buchwissenschaft von ehrwürdigen Dekanen einer großen deutschen Universität polemisch mit „Bananenwissenschaft“ verglichen wurde: warum sollte es Buchwissenschaft geben und keine Bananenwissenschaft? Das erinnert natürlich an den Vergleich der Bibliothekswissenschaft mit einer vermeintlich nicht existierenden „Krankenhauswissenschaft“, wie er vor Jahren heftig auf dem Kolloquium zur Aufstellung des Masterstudiengangs an der FH Köln diskutiert wurde.

Zu der Tagung mit dem Ziel den „state of the art“ eines Faches mit fünf universitären Standorten in Deutschland zu eruieren, hatten Ursula Rautenberg (Erlangen) und Monika Estermann (Börsenverein, Frankfurt) eingeladen. Weitere Teilnehmer der Tagung waren bekannte Namen aus dem Kontext des Arbeitskreises wie Werner Arnold (HAB), Peter Vodosek (Stuttgart), Thomas Stäcker (HAB), Siegfried Lukatis (Potsdam), Horst Meyer (BBB) und Erdmann Weyrauch (Leipzig) um nur wenige zu nennen. Grundtenor war schließlich, dass es in der Tat noch einer nicht geringen Anstrengung bedarf, bis die Buchwissenschaft als universitäres Fach ihren eigenständigen Diskurs gefunden und sich konsolidiert hat. Als Außenstehendem fiel einem besonders auf, dass nur wenige der Lehrstühle tatsächlich auch in der Diskussion vertreten, bzw. anwesend waren, und dass die Diskussionen sich sehr stark um Abgrenzungen bemühten. Es wurden Lücken identifiziert in der Darstellung des Mediums Buch in den eigenen Reihen, aber vor allem in den Nachbardisziplinen, allen voran den Medienwissenschaften: das Buch der blinde Fleck der Medienwelt? Das „Buch als Kulturgut“ zu zentral? Es konnten aber auch wesentliche konkrete Lücken thematisiert werden in der buchwissenschaftlichen Forschung in Deutschland generell und vor allem im internationalen Vergleich. So war der Beobachter doch immer wieder erstaunt, nicht nur wie sehr Marshall McLuhan immer noch als Diskussionsfolie (abgrenzend) bemüht wurde, sondern vor allem, dass der als Livre & Société bekannte Ansatz der neueren Geschichtswissenschaften um Roger Chartier, Robert Darnton, und Henri-Jean Martin in Deutschland offensichtlich (nach beinahe einem viertel Jahrhundert) immer noch keine forschungsträchtige Wirkung gezeitigt hat. Es mussten sogar immer noch Rudolf Schenda (Volk ohne Buch) und Wolfgang Iser (Akt des Lesens) bemüht werden. Dem gegenüber waren Jan und Aleida Assmann recht wenig präsent in den Inhalten der Diskussion, wenn auch ihre Namen öfter fielen.

Einigkeit bestand implizit in der Feststellung der Tatsache einer gründenden Beziehung zwischen Buch und Bibliothek und damit der gegenseitigen Angewiesenheit von Buch- und Bibliothekswissenschaft. Betont wurde unter anderem der Aspekt der Körperlichkeit des Mediums Buch unter Verweis auf Gérard Genettes Paratext-Ansatz (Georg Stanitzek, Siegen). Aber auch Paul Sängers Thesen zum typographisch bedingten Übergang von Mündlichkeit auf Schriftlichkeit verbunden mit der Entwicklung des stillen Lesens wurden immer noch intensiv diskutiert. Bei der Betrachtung der Konstituenten des Mediums Buch wurde mehrfach – nicht nur abgrenzend – Bezug genommen auf Luhmanns Definitionskonstrukt zum Medienbegriff, in dem er die ein Medium notwendig bedingenden Elemente ‚Formen’ nennt und nach deren Grammatik der Konstituierung fragt. Problem ist hier dann die Frage der Granularität dessen, was das Medium ausmacht. Ist es nur das Beiwerk des Textes (Paratext) oder kommen hier metatextuelle Faktoren (etwa Komponenten des kulturellen Gedächtnisses), intertextuelle Bezüge (Julia Kristeva) oder die Textarbeit als solche (mit den sie konstituierenden, architextuellen Komponenten (Genette)) im Medium Buch trotzdem noch als Formelement vor. Könnte diese Frage etwas genauer gefasst werden, so könnte sich klären, wie das übergeordnete Medium, der Bücher-, oder Medien- oder Wissens-“Haufen“, konstituiert ist, und welche Funktionen ihm zusätzlich zuzuschreiben sind. Dass Bücher wesentliche Funktionen bei der Wissensorganisation und -repräsentation übernehmen, ist offensichtlich unhintergehbare Grundsatzfeststellung.

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Prof. Mittler „nur“ noch Bibliothekswissenschaftler

aus der Cimelien Ausstellung zu Ehren Mittler etwas jünger

Am 4. Oktober wurde Prof. Dr. Elmar Mittler mit einem Festakt offiziell verabschiedet von seiner Funktion als ltd. Bibliotheksdirektor der SUB Göttingen. Damit kann er sich auf seine zwei Honorarprofessuren, darunter eine mit der Denomination „Bibliothekswissenschaften“, konzentrieren! (Eine der ganz wenigen Professuren mit diesem Titel – am Ort der ersten Professur für „Bibliotheks(hilfs)wissenschaft“ in Deutschland) .) Als eine „seiner“ letzten Aktivitäten an der SUB Göttingen wurde am 1.10. ihm zu Ehren eine Ausstellung mit den Zimelien der Bibliothek: „Göttinger Kostbarkeiten“ in der Göttinger Pauliner Kirche eröffnet. Ein schönes Beispiel für Bestandsentwicklung:

Das breite Spektrum der Bestände reicht von kostbaren mittelalterlichen Handschriften wie dem Fuldaer Sakramentar von 975, der zum UNESCO-Weltkulturerbe zählenden Göttinger Gutenbergbibel und reich illustrierten Frühdrucken bis hin zu vielen seltenen Büchern, die immer wieder auch mit prächtigen Einbänden versehen sind, und den wissenschaftlichen Nachlässen berühmter Göttinger Gelehrter. Zugleich bietet die Ausstellung einen lebendigen Einblick in die Erwerbungsgeschichte der Bibliothek und zeigt, aus welch unterschiedlichen Quellen die Göttinger Bibliothekare gezielt und systematisch einzelne Titel oder ganze Sammlungen erwarben. [Ausstellungstext – das Bild ist daraus]

Noch vor einem Jahr wurde Prof. Mittler auf der Nestor Konferenz in Göttingen so vorgestellt:

Elmar Mittler ist Professor der Buch- und Bibliothekswissenschaften und Direktor der Niedersächsischen Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen (SUB), einer der führenden Universitätsbibliotheken Deutschlands. Die SUB ist als Projektleiter oder Teilnehmer an einer Vielzahl deutscher, europäischer und internationaler Projekte im Bereich der Entwicklung „Digitale Bibliothek“ beteiligt (Metadaten, Digitalisierung von Zeitschriften, Subject Gateways für Internetressourcen etc.). Elmar Mittler studierte an den Universitäten in Bonn sowie Freiburg/Breisgau und beschloss sein Studium im Jahre 1966. Er war stellvertretender Direktor der Universitätsbibliothek in Freiburg/Breisgau (1970-1974), Direktor der Badischen Landesbibliothek in Karlsruhe (1974-1979) und der Universitätsbibliothek Heidelberg (1979-1990), bevor er 1990 nach Göttingen kam. Elmar Mittler ist Dr. h.c. der Sorbonne, Paris und Honorarprofessor am Institut für Buchwissenschaft der Universität Mainz. Darüber hinaus ist er ehemaliger Präsident von LIBER (Ligue des Bibliothèques Européennes de Recherche).

dem kann man noch hinzufügen, dass er der erste Sprecher der Bundesvereinigung der Deutschen Bibliotheksverbände (BDB) war – jetzt BID und eine Reihe von außerordentlich hohen nationalen Ehrungen erhalten hat (Bundesverdienstkreuz uvam.)

Sein Nachfolger Dr. Norbert Lossau konnte ihn auf der Ausstellungseröffnung dann auch schon offiziell begrüßen. Dr. Lossau ist langjähriger aktiver Mitarbeiter der Göttinger Bibliothek gewesen und nun nach Stationen in Oxford und Bielefeld dorthin zurückgekehrt. Wir wünschen beiden viel Erfolg für die Fortsetzung ihrer Arbeiten.

Der idw berichtet ausführlich vom Festakt.