Der Kulturkampf findet nicht statt

Photo von Bettina Maria Hamann

Alice im Wonderland: das Spiel mit Virtualität und Realität lange vor der Netzwerkgesellschaft

In der Jubliäumsvortragsreihe der Informationswissenschaften an der FH Potsdam „Das Buch im Digitalen Zeitalter“ kam es am 8. Februar zu einer versöhnlichen Abschlussveranstaltung mit einem wie immer recht launigen Vortrag von Arnoud de Kemp (hier die Ankündigung). Genüsslich zitierte er aus einer Printausgabe von Alice im Wonderland während er in seinem Moleskine Notizbuch blätterte, statt Powerpoint Folien abzuspulen. Er präsentierte sich als unbedingter Verfechter der technologischen Innovation, als er begeistert von Alan Turing erzählt, dessen 100 jährigen Geburtstag er mit seiner Informare Konferenz im Mai diesen Jahres feiern wird. Als Beispiel eines Buches für die Digitale Welt „avant la lettre“ präsentierte er das berühmte Pop-Up Buch „Inside your Personal Computer“ aus den 90er Jahren. Viele Anwesende blätterten darin mit großem Staunen, wie früher ein PC aussah…

Inside your Personal Computer (analoges Pop-Up-Buch zum Digitalen)

Peter Cornelius (Vorstandsmitglied der DGI, Staatssekretär und DGI Präsident a.D. Prof. Dr. Joachim-Felix Leonhardt und FHP Ehrensenator Dr. Wolfgang Hempel (v.l.n.r.) bestauenen ein analog-digitales Buch

Sein letztes Beispiel schließlich ließ dann doch ein neues Paradigma, oder eine neue Epoche aufscheinen: unabgesprochen präsentierte er ein Exemplar von Tony Heys „The Forth Paradigm“, das wir am Fachbereich ja in letzter Zeit z.B. im Zusammenhang mit dem jüngst erschienenen Handbuch Forschungsdatenmanagement schon fast wie eine Bibel betrachten.

Arnoud de Kemp zeigt Tony Heys "Forth Paradigm" als Beispiel für die sich tatsächlich verändernde Welt

Allerdings benutzte er, für einen Holländer bezeichnend, letztlich doch die Vokabel „Kulturkampf“, um die noch nicht entschiedene Diskussion zwischen analog und digital zu verdeutlichen. Interessanterweise waren die Verfechter der neuen Welt bei keiner der Diskussionsveranstaltungen anwesend, so dass diese Jubiläumsveranstaltung nicht genutzt wurde um auf Erfahrungen bei der Entwicklung der Netzwerkgesellschaft aufzubauen und darüber einen akademischen Streit auszutragen, ob die zukünftige Welt ausschließlich digital und Maschinen gesteuert sein wird oder ob nicht doch im Analogen zwischenmenschlichen noch Bewahrenswertes zu finden sei – und sei es nur die Würdigung der Leistung der (anwesenden) Gründerväter des Fachbereichs, zu denen de Kemp gehört, genauso wie Wolfgang Hempel, Joachim-Felix Leonhardt oder Helmut Knüppel.

rege Diskussion mit dem Publikum

Vgl. den Überblick über die Vortragsreihe: http://tiny.cc/20Jahre-LIS-in-Potsdam