Zukunft der Fachinformation

Endlich einmal eine fundierte Stellungnahme zum deutschen Fachinformationssystem !? (Dank an Ben Kaden)

Die Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung legt in ihrem Heft 138 einen Bericht zur „Neuausrichtung der öffentlich geförderten Informationseinrichtungen“ vor:

Beschluss der Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung
vom 23. Oktober 2006:
„Die Kommission nimmt den Bericht in dem Verständnis zustimmend zur Kenntnis, dass eine Koordinierung der Aufgaben der betroffenen Informationseinrichtungen durch regelmäßige Koordinierungstreffen der fachlich für die Einrichtungen Verantwortlichen im Bund und den Ländern erreicht werden soll.“

Auch mit Blick auf die fortschrittlichen Informationsinfrastrukturen in anderen Ländern besteht
die Notwendigkeit, die vorhandenen Ansätze zur Neuausrichtung der Informationsversorgung
in Deutschland weiter auszubauen.

Ein Kernproblem besteht in der fehlenden übergreifenden strategischen Steuerung der Aktivitäten. Die Reibungsverluste durch heterogene Entscheidungsstrukturen führen dazu, dass die Potentiale der bestehenden Infrastruktur letztlich nicht ausgeschöpft werden und das notwendige Tempo flächendeckend wirkender Innovationen nicht erreicht wird. Neben der Sicherstellung der Aufgaben in den Programmbudgets der Einrichtungen soll deshalb von Bund und Ländern zur strategischen Steuerung und zur Koordinierung der Aufgaben der Informationseinrichtungen ein ständiges Gremium („Rat für Informationsinfrastruktur„) eingerichtet werden. (Kurzfassung)

Der eingangs abgedruckte Beschluss macht allerdings deutlich, dass der hier erwähnte „Rat“ nicht geschaffen werden wird. Auf der gleichen Sitzung der BLK wurde ja auch die Neuregelung beschlossen, in der lediglich eine „Gemeinsamae Wissenschaftskonferenz“ (GWK) übrig bleibt, da ja die Föderalismusreform hier viele Kompetenzen an die Länder übertragen hat.
Es beschleicht sich bei der Lektüre des Heftes zur Neuausrichtung öffentlich geförderter Informationseinrichtungen ein ungutes Gefühl. Wie kann die BLK dazu Stellung beziehen? Sind Bibliotheken keine „öffentlich geförderten Informationseinrichtungen“? Hier versucht die BLK nach dem Bedeutungsverlust, den ihr die Politik beschert hat noch gut Wetter zu machen und belegt damit um so mehr das katastrophale Ergebnis der Föderalismusreform.

Als Beteiligter bei einer Reihe der dort erwähnten Evaluierungen und Betroffener von neueren Projektfinanzierungen fragt man sich, was es wirklich auf sich hat mit den schön klingenden Worten (ich komme mir vor wie im falschen Film – oder ich bin der einzige Besucher im Kino?). Interessant vor allem gerade die im Anhang befindlichen Expertenberichte von Lossau, Mittler, Rittberger, Bunzel, WGL u.v.a.m.).

Hier einige interessante Textpassagen aus dem Hauptteil (Hervorhebungen von mir).

Die Empfehlungen des Senats der WGL für die Weiterentwicklung berücksichtigen den sehr unterschiedlichen Entwicklungsstand der einzelnen Informationseinrichtungen, fordern aber generell ein Mehr an strategischer Kooperation, Nutzerorientierung, internationaler Ausrichtung und anwendungsorientierter Forschung und Entwicklung.

Die überregionalen Informationseinrichtungen sollen sich an die Spitze der Entwicklung im Bereich digitaler Informationsdienste setzen. Sie sind auf eigene informationswissenschaftliche Entwicklungskapazität und auf umfangreiche Kooperationen mit außer- und universitären Forschungseinrichtungen im nationalen wie internationalen Kontext angewiesen, um moderne Informationsdienstleistungen weiter zu entwickeln und neue Innovationen zu generieren. So sind bspw. Werkzeuge für das persönliche Informationsmanagement zur unmittelbaren Integration von Informationen in die persönliche Arbeitsumgebung notwendig.

Recherchen in bibliographischen Datenbanken allein werden künftig immer weniger als eigenständige geldwerte Informationsdienstleistung bestehen können. Es muss vielmehr gelingen, ein möglichst umfassendes Angebot an Datenbanken für die akademischen Nutzer in Deutschland durch eigene Produktion und den Erwerb von Verwertungslizenzen bereitzustellen und diese so weit wie möglich mit kundengerechten Modellen zum Zugriff auf digital verfügbare Volltexte zu verknüpfen.

Im internationalen Vergleich ist die Versorgung von Forschung und Lehre in Deutschland mit digitalen Publikationen gegenwärtig defizitär.

Neben eigenen Entwicklungen der Informationseinrichtungen müssen diese verstärkt auch die Rolle der Trendscouts und der Transferunterstützung übernehmen.

Netzwerke wie die Informationsverbünde, die Virtuellen Fachbibliotheken, das Wissenschaftsportal Vascoda, das Kompetenznetzwerk zur Langzeitarchivierung nestor u.a., die bisher vorrangig in Projekten entstanden sind, müssen nachhaltig institutionell verankert, finanziell abgesichert und weiter ausgebaut werden.

Die überregionalen Informationseinrichtungen müssen neben der Informationsversorgung künftig stärker auch den gesamten Weg der Erzeugung von Wissen mit entsprechenden Werkzeugen, Organisationsformen und durch Beratungsangebote begleiten.

Vor dem Hintergrund bisheriger desolater Fachinformationspolitik (Schließung von GID, DBI, Abbau des IuD Programms, Bibliothek2007) sei die Frage erlaubt, ob hier wirklich etwas geschehen wird?

Ein kleiner Lektüretipp am Rande: Hans-Christoph Hobohm: Das Verhältnis zur Dokumentation – Fachinformationspolitik in den 70er und 80er Jahren in Deutschland. In: Die 70er und 80er Jahre des 20. Jahrhunderts: Auf dem Weg in die Informationsgesellschaft. 13. Jahrestagung des Wolfenbütteler Arbeitskreises für Bibliotheks-, Buch- und Mediengeschichte am 10. – 12. Mai 2004 an der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, hrsg. v. Peter Vodosek. Wiesbaden 2007 (im Druck): http://www.fh-potsdam.de/~hobohm/Hobohm-2005d-Fachinformationspolitik-und-die-Bibliotheken.pdf

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