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Zwei Bibliotheksmeldungen

Entwurf der neuen Fassade der SLB

Entwurf der neuen Fassade der SLB

In der Lokalpresse gab es letzte Woche zwei Notizen zum Bibliothekarischen, die sich gegenseitig „beleuchten“. Am 23. Mai 2011 erscheint unter „Nachrichten“ in den „Potsdamer Neuesten Nachrichten“ (PNN) die (leider nicht mehr online zu lesende) Kurznotiz, dass auf der nächsten Stadtverordnetenversammlung der Antrag auf ein Projekt „öffentlicher Bücherschrank“ eingebracht werden soll. Hier der Scan:

Bücherschrank im öffentlichen Raum
In Potsdam könnte es bald „offene Bücherschränke“ geben – eine Art Kasse des Vertrauens für Bücher im öffentlichen Raum. Ein Projekt dieser Art, wie es unter anderem in Potsdams Partnerstadt Bonn seit Jahren funktioniert, regen CDU, FDP und Grüne in einem gemeinsamen Antrag für die nächste Stadtverordnetenversammlung am 1. Juni an. Bis August soll im Rathaus geprüft werden, ob es so ein besonderes Stadtmöbelstück in Potsdam geben kann. Konkret sollen die Bücherschränke laut Antrag für alle Bürger 24 Stunden am Tag frei zugänglich sein und durch Spender oder die Nutzer selbst mit Büchern aller Art bestückt werden. Bürger können sich kostenfrei ein Buch aussuchen und zum Lesen mitnehmen. „Nach dem Auslesen oder wenn es nicht gefällt, kann das Buch direkt wieder zurückgestellt und ein neues Buch ausgesucht werden“, heißt es in dem Antrag. So ein Schrank sei „eine schnelle, preiswerte und unkomplizierte Ergänzung zu einer Bibliothek“, so die Antragsteller. Als Ort wird etwa der Platz der Einheit vorgeschlagen.

Am gleichen Platz liegt denn auch der Neubau der Stadt- und Landesbibliothek, die zwei Tage später Presse macht: am 25. Mai 2011 wird in den PNN vom Fortgang des Baus berichtet und gleichzeitig auf die Entwicklung eines Zukunftspapiers hingewiesen, das mit Meinhard Motzko auf einem Workshop erarbeitet wurde. Schöner Titel des Zeitungsberichtes: „Vom Bücherverwalter zum Problemlöser“ und schöner Kommentar aus dem Ministerium: Bei Bibliotheken handele es sich um die „am meisten nachgefragten Kultureinrichtungen“.

vgl. Blogposts hier zu Bücherschränken und zum „Wissensspeicher“ in Potsdam

Öffentliche Bücherregale und Bücherschränke

Ist es ein Zeichen für das Ende der Gutenbergalaxis? Es ist schon ein eigenartiges Gefühl, vor einem Bücherregal zu stehen, das keinem gehört, in das man seine Bücher hineinstellen und die anderer herausnehmen kann – mitten in der Stadt. Anders als bei Bookscrossing fehlt hier der spielerische Aspekt. Es scheint eher eine Art Bibliothek im Kleinen zu sein. Ursprünglich wohl auch eher als Kunstaktion gedacht, scheint dieses Modell sehr gut zu funktionieren. In Münster z.B. wurde im Dezember 2009 sogar ein zweites eröffnet. Offensichtlich kommen kaum Fälle von Vandalismus vor: das Buch gilt immer noch als sakrosankt. Es gibt zwar auch Bibliotheken, die sich das Instrument zu nutze machen wie in Marburg, doch sind die „Regalpaten“ wohl eher Personen oder Organisationen der Zivilgesellschaft, angefangen beim Lions-Club oder Bürgervereinen bis hin zu Cafés und Restaurants.

Offener Bücherschrank in Bonn (Photo Hobohm 2014)

Offener Bücherschrank in Bonn (Photo Hobohm 2014)

Eine wirtschaftswissenschaftliche Analyse zu diesem irrealem Tauschsystem steht dem Phänomen eher ratlos gegenüber: „ein merkwürdiges Versorgungssystem“. (Prof. Piorkowsky und Studierendengruppe der Uni Bonn: Bonner_Buecherschrank_Dies2008). Die befragten Passanten und Nutzer beurteilten den öffentlichen Bücherschrank in der Poppelsdorfer Allee in Bonn in erster Linie dann nicht als Alternative zur öffentlichen Bibliothek, wenn sie aus höheren Einkommensschichten kamen. (s. Pressebericht dazu)

In der deutschen Wikipedia gibt es einen Artikel dazu. Beispiele außerhalb Deutschlands konnte ich nicht finden, bis auf die Aktion der British Telecom ihre Telefonzellen zur Verfügung zu stellen. In der Mailingliste Forumoeb gab es Anfang Dezember 2009 eine kurze Diskussion. Auch hier standen die Buchexperten dem Phänomen ratlos gegenüber und verwiesen auf ihre Beratungskompetenz: „Die diskutable Frage ist nur – „großherzige Leseförderung“ vs. Qualitätsangebot mit Beratung?“ hieß es dort.

Für mich ist es ein weiterer Beleg dafür, dass Bibliotheken nur bedingt etwas mit Büchern zu tun haben.