Digital Humanities vs Information Science

war der Titel meines Vortrags auf dem 5. I-Science Tag der FH Potsdam.

Die Vorbereitung zu dem Vortrag war für mich voller Überraschungen. Ich konnte zwar mental am Cologne Dialogue von 2012 anknüpfen und war vorbereitet auf die „DH“ Diskussion durch die iConference und den Workshop des Einstein Zirkels. In erster Linie brachte mich der Vortrag jedoch wieder zurück in die Zeit meiner eigenen Beiträge zur Computerphilologie und der EDV gestützten Geschichtswissenschaft (Folie 16-19), die ich ursprünglich in den 1980er Jahren recht intensiv betrieben hatte. Die erste Überraschung war, dass immer noch fast die gleichen Argumente ausgetauscht wurden und immer noch die Frage nach dem Sinn und disziplinären Stellenwert des Arbeitsinstruments Computer in den Geisteswissenschaften gestellt wurde – fast sogar mehr als damals. Die zweit Überraschung war, dass auch fast immer noch die gleichen Personen Wortführer zu sein schienen: Manfred Thaler (einer meiner Betreuer für meine Doktorarbeit damals), Wilard McCarty (der immer noch Leiter des electronic Seminars HUMANIST (der ersten fachwissenschaftlichen Mailingliste, der ich folgte). Einen der Väter der Bewegung konnten wir tatsächlich nach Potsdam einladen: Lou Burnard (einer der Begründer von TEI!). Ich stellte fest, dass er auch auf einer meiner ersten Tagungen, bei ich vorgetragen hatte, ebenfalls dabei war. Als ich die Cologne Computer Conference 1988 in meinem Vortrag erwähnte twitterte er umgehend seinen damaligen „Verriss“ dieser Tagung…

Die nächste Überraschung war, dass ich recht viele Zeugen mit aufrufen konnte, die beton(t)en, wie wichtig und zentral die Informationswissenschaften für die Digital Humanities sind. Allen voran schließlich Roberto Busa (1913-2011, vgl. Folie 20), der gemeinhin als der Begründer der Computerlinguistik / Computerphilologie gesehen wird. Im „Companion“ der Digital Humanities von 2006 (!) schreibt er z.B. im Vorwort, dass der größte der drei Stränge der Digital Humanities als der „documentaristic current“ zu bezeichnen wäre und auf die Ansätze der American Documentation Society (jetzt ASIS&T) und der Deutschen Gesellschaft für Dokumentation (jetzt DGI) zurückzuführen sei. Ich hatte nicht zu hoffen gewagt, solche Fürsprecher meiner These zu finden.

Interessant auch, dass unter den „Scholars Active“ im Jahre 1967 im ersten Jahrgang der Flaggschiff-Zeitschrift „Computers and the Humanities“ (Folie 10 – blaues Segment) Namen bedeutender Informationswissenschaftler wie Gerald Salton und Eugene Garfield (neben Wilhelm Ott und Roberto Busa natürlich) zu finden sind. Aufgefallen ist mir allerdings bei meiner biographischen Reise, dass ich nur selten mit meiner geisteswissenschaftlichen Ausbildung Geld verdient habe. Mein bestes Return on Investment waren die beiden Bücher „Computerfibel für die Geisteswissenschaften“ und „Inside your PC – Pop up Guide“, mit denen ich meine ersten Lehraufträge an diversen Hochschulen bestritten habe.

Slide 29

Slide 29

Auf Folie 29 im Vortrag versuche ich eine Gegenüberstellung (nachdem ich mit Pédauque, das gemeinsame Interesse am Dokument begründet habe). Der Vortrag war eine typische Boundary Work – ein Grenzgang, der wie bei jeder interdisziplinären Fragestellung zunächst ein Licht auf die eigene Position wirft. Odo Marquard hatte den Geisteswissenschaften einmal vorgeworfen, sie hätten bloß eine Inkompetenzkompensationskompetenz. Als „ehemaliger“ Romanist und Germanist kann ich das retrospektiv etwas nachvollziehen. Im Nachhinein fühle ich mich in der Tat auf der rechten Seite der Tabelle wohler, obwohl die linke vielleicht mehr Spaß (ge)macht (hat). Beunruhigend finden ich dennoch, dass die rechte Seite immer weniger Anerkennung zu finden scheint – oder täuscht dies?