Eine ganz wesentliche Erfahrung meines Kanadaaufenthaltes war festzustellen, wie sehr Archive und Bibliotheken hier bereits eine Einheit bilden. Ich mag das nicht aus archivwissenschaftlicher Sicht kommentieren. Ich stelle bisher nur die Fakten fest, dass die beiden Nationalbibliotheken zugleich die Nationalarchive sind: und zwar für den englischsprachigen und für den französischsprachigen Teil Kanadas.
Canada is the first country to fully integrate the services and programs of its national library and national archives. Library and Archives Canada is a new type of knowledge institution designed to collect, to preserve and to provide Canadians with access to our nation’s documentary heritage.
sagt der neue (seit 2004) Nationalbibliothekar und -archivar Kanadas Ian E. Wilson.
Das gleiche gilt seit kurzem auch für das frankokanadische Québec, wobei hier sogar noch verschärfend hinzu kommt, dass das Hauptgebäude der Bibliothèque et Archives nationales Québec zugleich eine wichtige Rolle als Stadtbibliothek für Montréal spielt: genannt die „Grande Bibliothèque“ (in Anlehnung an die französische „Très Grande Bibliothèque“). Das eigentliche Netz der Stadtbibliotheken existiert weiterhin und hat sogar durch die große Konkurrenz ebenfalls Zulauf erfahren. Zu meinem wirklich großen Bedauern ließ die Führung keinerlei Photographie im Innenbereich zu – wie oft bei jungen architektonischen „Wunderwerken“. Die virtuelle Besichtigung lohnt sich – ergibt aber nur einen Teil des Eindrucks.
Nur zwei Zahlen:
- 40% der Ausleihen werden von der Multimedia Etage getätigt (bei einer Nationabibliothek!)
- die Bibliothek ist von 10 h (a.m.) bis 24 h (p.m.) geöffnet
Eine weitere Besichtigung zeitigte noch mehr Konvergenzen: sogar der Museumsbereich ist friedlich vereint mit den Archiven und Bibliotheken im Preservation Centre / Centre de préservation der Library and Archives Canada in Gatineau bei Ottawa:
Ein beeindruckendes Gebäude mit up-to-date Technologie zur Restaurierung nicht nur von Archivmaterialien, sondern auch von Büchern, Filmen, Handschriften, Gemälden und anderem kulturellen Erbe. Im Übrigen sind beide Gebäude recht jungen Datums (2006).
Die Konvergenz auch zum Museum hin ist eine Tendenz, die die großen amerikanischen „Bibliotheksschulen“ seit einiger Zeit – sehr zu Leidwesen der ALA – weiter treiben. Wir sind in Deutschland vergnügt, sagen zu können, dass wir die ÖB/WB Trennung überwunden haben. … Wer erwähnte da „Archivare“?
Offline comment:
Lieber Herr Hobohm,
ich lese Ihren Blog mit viel Vergnügen! Und ich finde Ihre Berichte über Ihren Aufhenthalt in Kanada wirklich interessant. Ich bin jetzt gespannt auf Ihre Fotos.
Nur eine kleine Korrektur : die “Grande Bibliothéque” ist nicht die Zentralbibliothek der Stadtbibliothek Montreal : es sind zwei unterschiedliche Institutionen mit 2 Katalogen:
– Bibliothèque et Archives Nationales du Québec
– Bibliothèque de Montréal
Die BAnQ spielt aber eine wichtige Rolle als “centre de services” nicht nur für die Montrealer Stadrbibliotheken, sondern auch für die ganze Provinz Québec.
(eine persönliche Bemerkung : die BAnQ übernimmt immer mehr Aufgaben, die Bibliotheksszen wird immer mehr zentralisiert aber ich habe den Eindruck, dass sie Schwierigkeiten haben wird, ihre neuen Aufgaben wegen “zu großen Appetit” und Abwehrreaktionen aus der Bibliothekssene zu erledigen )
Mit freundlichen und sonnigen Grüßen
Lise
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Lise Rebout
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