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LIS Berufe: Ausmaß der Änderungen unklar

Die Märkische Allgemeine Zeitung berichtet heute über die Tagung des Fachbereichs in knapper, aber recht korrekter Weise. (Nach den vielen negativen Erfahrungen, die wir mit der Presse in den letzten Wochen gemacht haben eher ein positives Beispiel). Schade nur, dass wieder so wenig Platz für das so wichtige Thema der Informationsgesellschaft bleibt.

TAGUNG: Archivar im Zeitalter des Internets

Potsdamer Diskussion über die Zukunft eines Berufsstandes / Ausmaß der Änderungen oft nicht klar

„Wer braucht noch Archivare?“, fragte unlängst Ulrich Kampffmeyer von der Hamburger Project Consult Unternehmensberatung auf einer Tagung an der Fachhochschule Potsdam (FHP). Tatsächlich scheint im Zeitalter digitaler Informationsverarbeitung diese Frage nicht abwegig. Doch bei dem Potsdamer Treffen mit 95 Teilnehmern stellte sich heraus, dass der Berufsstand des Archivars und Bibliothekars auch in der Welt des Internets und der E-Books nicht am Ende ist.

In gewisser Weise würden Vermittler von Information sogar wichtiger, so Kampffmeyer. Ähnlich denken Marc Rittberger vom Hochschulverband Informationswissenschaften und Matthias Ballod von der Universität Koblenz. Kampffmeyer selbst konnte allein 18 Firmen benennen, die neue Archivare einstellen wollen. Die Beschäftigten in solchen Unternehmen verstehen sich heute als Informationsspezialisten, die wissen, wo wichtige Informationen zu finden sind und was überhaupt als wichtige Information zu gelten hat.

Diese Einschätzungen teilt auch der Dekan des Fachbereiches an der FHP, Hans-Christoph Hobohm. „Wir haben ein eher optimistisches Bild von der Zukunft, das allerdings getrübt wird durch die extrem schnelle Entwicklung.“ Die Innovationen moderner Kommunikations- und Informationstechnologien überforderten manchmal auch die Möglichkeiten der FHP. Die Hochschule versucht, den Zeitläuften mit Lehrangeboten wie „Einführung in relationale Datenbanken“ oder „Internetrecherche und Informationssysteme“ gerecht zu werden. Das größte Problem sei allerdings, dass den im Beruf stehenden Archivaren der Umfang des Umbruchs meist noch nicht ausreichend bewusst sei. Zum Beispiel müssten sie sich erst noch daran gewöhnen, dass ihnen angesichts digitaler Verwaltung und Kommunikation nicht mehr automatisch wichtige Papiere zur Verwahrung übergeben würden.

„Archivare müssen heute am Anfang stehen, nämlich dort, wo die Entscheidungen und Prozesse beginnen“, so Hobohm. Sie müssten die Entscheidungsträger zum Beispiel in Unternehmen auf die Wichtigkeit bestimmter Informationen hinweisen und bewahrenswerte Information von vorneherein auswählen. „Unternehmen müssen außerdem davon überzeugt werden, dass sich Investition in Information auszahlt.“ Das erfordere soziale Kompetenz und Kenntnis des jeweiligen Fachbereiches, etwa einer bestimmten Unternehmensstruktur oder eines wissenschaftlichen Feldes.

Dass diese komplexen Aufgaben jemals von Rechnern automatisiert werden könnten, glaubt der Dekan nicht. Nur Menschen seien in der Lage, sich schnell ändernde Realitäten richtig zu erfassen. Und nicht zuletzt liefen die wirklich wichtigsten Informationen nach wie vor von Mensch zu Mensch. (Von Rüdiger Braun)

MAZ vom 14.5.2009

vgl. vorherige Posts

Diskursanalyse in der Geschichtswissenschaft

„Très chic“ titelte Oliver Jungen seinen Bericht in der FAZ vom 1.4. über eine Tagung an der Uni Düsseldorf. Die „Internationale Tagung zum Stand der Diskursanalyse in den Geschichtswissenschaften“ – „Diskursiver Wandel“ versammelte die junge Generation der Historiker, die – wie Jungen schreibt –  anders als die „Altvorderen“ Wehler, Evans u.a. nun auch in Deutschland die Foucaultsche Diskursanalyse für die Geschichtswissenschaft entdeckt haben. Die Tagung war sehr gut besucht von den „schwarz gekleideten“ jüngsten Fans von Michel Foucault. Der Tagungsbericht zeigt ein buntes Bild dessen, was z.Zt. unter Diskurs verstanden wird und der FAZ Kommentar dazu weist zurecht auf die Beliebigkeit dieses Begriffs hin, der oft eher Motiv-  und Begriffsgeschichte hervorbringt als die machtanalytische Diskurskritik Foucaults.

Dennoch macht dies auf zweierlei aufmerksam: wie langsam Deutschland in der Aufnahme großer internationaler Trends ist (Foucault ist schon wieder ziemlich out in den USA) und dass eine Art Diskursanalyse dennoch im Begriff ist, Mainstream der Geschichtswissenschaft zu werden. Wenn man sich allerdings genauer anschaut, wie diese „neue“ Geschichtswissenschaft betrieben wird, kann man anfangen, sich ernsthafte Sorgen darüber zu machen, ob denn genügend und die richtigen Informationsquellen für eine Diskursanalyse für die zweite Hälfte der 20sten Jahrhunderts zur Verfügung stehen werden.

Wie auch bei der Präsentation der Zukunftswerkstatt im Münzsalon letzten Mittwoch in Berlin eine Zuhörerin die anwesenden Bibliothekare fragte, warum denn nur Bücher digitalisiert würden – sie meinte, warum nicht auch die digitale Informationsmedien, mit denen jetzt die meisten „Kulturschaffenden“ fast ausschließlich arbeiten, nicht auch in den Digitalen Archiven und Bibliotheken vorgehalten und gesichtert würden.

Auf den Berufungsvorträgen zu unserer archivwissenschaftlichen Eckprofessur letzte Woche wurde mir als Nicht-Archivar (aber Sozialhistoriker) deutlich, dass die Art Material, die ich nutzen konnte zur Diskursanalyse des 18. Jahrhunderts (Prozessdokumentationen der staatlichen Zensurbehörden in Paris) ab Einführung der EDV in den Verwaltungen in der Mitte des 20. Jhds. nicht mehr möglich sein wird. Nicht weil die Daten physisch verloren gehen („digitaler Papierzerfall“), sondern vor allem, weil es keinen gibt, der die seit 30 Jahren angewandten, elektronischen „Fachverfahren“ dokumentiert / sichert. Nicht Zerfall der Informationsträger, sondern Zerfall der Institution – oder fehlende Ausdifferenzierung: aufgrund der GEschwindigkeit der Entwicklung noch (?) fehlende neue Institutionen. Archivare und Bibliothekare sollten wohl doch mehr selber fachwissenschaftliche Forschung betreiben, damit sie verstehen, was sie dokumentieren müssen.

Wieder einmal sieht man dabei, dass Information ziemlich wenig mit Informationstechnik zu tun hat, sondern eher der „Balken im Auge“ ist. Und in diesem Sinn bin ich recht froh, schon zur älteren Generation zu gehören. Nur meinen Sohn bedauere ich.

FH Potsdam hilft Stadtarchiv Köln: Medienreaktionen

Bild aus Archivalia

Ein Lehrstück in praktischer Medienwissenschaft ist die Reaktion auf die kleine Pressemeldung von gestern. Zunächst war die Fachbereichseite im Internet und und das Dekanat per Telefon nicht mehr zu erreichen. Dann gab es Auftrieb der Medienvertreter: Radio (RBB) , Text und Bild (MAZ) interviewten Herrn Post und mich zu unseren Hilfsaktionen.

Es wird wohl heute nachmittag auf Antenne Brandenburg und im InfoRadio des RBB gesendet. Ggf. gibt es den Podocast dazu. Märkische Allgemeine Zeitung wird morgen berichten mit Photo.

Es ist schon beeindruckend, welche Reaktionen ein konkret „fühlbarer“ Informationskollaps hervorrufen kann. Der alltägliche Kollaps von Informations-, Bildungs- und Wissensstrukturen ruft bewirkt ja leider nicht so viel. Selbst wenn Wirtschaftsweise gravierende Zahlen warnend veröffentlichen: Deutschland erst auf Platz 15 der internationalen Innovationsskala im Bildungsbereich – trotz des Hypes aller Innovationsförderung. Tendenz fallend. Es fehlen eben die Grundstrukturen des Wissens, das zu Innovation führen kann. Diesen täglichen Einsturz sieht kaum jemand. Es muss erst so symbolische Einstürze geben wie in Weimar und Köln. Dass der Konjunktureinbruch in Amerika auch in Deutschland zu einem Ansturm auf die Bibliotheken führt, ist wohl kaum zu erwarten, weil das deutsche Bibliothekswesen ja schon am Boden liegt.

vgl. letzten Blogeintrag hier.

Köln: Heimsuchung von biblischem Ausmaß

Bild: Stadt Köln/Feuerwehr

In der Financial Times Deutschland ist heute zu lesen, dass einer der zwei Vermissten Jugendlichen tot geborgen wurde.

In der Fortsetzung des Textes wird Michael Knoche (via dpa) zitiert:

Für Michael Knoche, Direktor der Herzogin Anna Amalia Bibliothek Weimar, ist der Verlust des Archivguts in Köln eine „Heimsuchung von biblischem Ausmaß“. Es sei nach dem Elbe-Hochwasser in Dresden und dem Brand seiner Bibliothek innerhalb weniger Jahre ein neuer dramatischer Verlust unserer nationaler Überlieferung, sagte Knoche in einem Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur. „Ich habe so das Gefühl, dass die Öffentlichkeit die Katastrophe zwar wahrnimmt, aber noch nicht die Dimension.“ Das Unglück sei um ein vielfaches Größer als in Weimar.

Ich kenne Michael Knoche ganz gut (war einer seiner Studenten an der Uni Köln) und schätze ihn als jemanden, der sehr realistisch bleibt und normalerweise nicht zu Übertreibungen neigt. Wenn das Zitat stimmt macht dies tatsächlich bedenklich…

Blue Shield Statement in support of the Cologne Archives

(Sicher nicht nur) aufgrund meiner Intervention bei IFLA wird es ein Statement des Blue Shield Netzwerkes zum weltweiten Schutz des kulturellen Erbes zum Einsturz des Kölner Stadtarchivs geben. Dank an Sjoerd Koopman und Claudia Lux!

Laufende Meldungen gehen dort schon ein. Hier ein Auszug des Textes der in Kürze (rückdatiert auf den 5.3.) auf der ICBS Website veröffentlicht wird:

ICBS Statement in support of the Cologne Archives
March 5, 2009

On the afternoon of Tuesday 3 March, the building of the Historic Archive of the city of Cologne in Germany collapsed along with two neighboring buildings. According to news reports, rescue workers are searching for people believed to be missing after the collapse. The building dated from the 1970s and contained some 65,000 original charters as well as valuable collections of maps, images, posters and files.

The International Committee of the Blue Shield conveys its sympathy and support for all those at the Historic Archive of the city of Cologne following this tragic incident.

A selection of News reports on the incident is included below:

In English:
•    CNN
•    BBC

En français:
•    Le Monde
•    Bluewin.ch

Auf Deutsch:
•    Kölner Stadtanzeiger
•    Köln Nachrichten.de

On behalf of the Blue Shield Organization,

Julien Anfruns,
President
International Committee of the Blue Shield (ICBS)

Contact Information: secretariat@icom.museum

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