Innovation und Bibliotheken

Podiumsdiskussion "Kann man Innovation lernen?"

Podiumsdiskussion „Kann man Innovation lernen?“

Anlässlich des 11. Wildauer Bibliothekssymposiums hatte ich das Vergnügen, mit Marion Mattekat (SLB-Potsdam), Frauke Schade (HAW-HH) und Frank Seeliger (TH-Wildau) öffentlich über die Frage zu diskutieren, ob man Innovation lernen kann. Die Frage dazu entstand im Zusammenhang mit dem Innovationspreis der Berlin-Brandenburgischen Stiftung Bibliotheksforschung (in dessen Vorstand ich bin). In der Jury zur ersten Preisverleihung wurde intensiv diskutiert, was denn innovationsförderlich für Bibliotheken sei. Ob die Assoziation von Bibliothek und Roboter zu Wandel bei Personal und Öffentlichkeit führt oder nicht.

Das Thema „Innovationen initiieren und Veränderungen zum Erfolg bringen“ hatte ich ja schon in der vierten Auslieferung des Loseblattwerks „Erfolgreiches Management von Bibliotheken und Informationseinrichtungen“ (=2003, Kap. 3/6.2) wie ich „natürlich“ finde, einigermaßen umfassend behandelt (Text hier). Es gab auch eine Zeit lang im Berliner Zertifikatskurs Bibliotheksmanagement ein eigenes Modul dafür, das aber mangels Nachfrage recht bald abgeschafft wurde…

Hier ein paar Auszüge aus meinen  Notizen zum Podiumsbeitrag:

Eingangsstatement: Nur wer das Ziel kennt, findet den Weg“! (Laotse)

Wie im klassischen Management: nur wenn sie einen klalren Auftrag (objective) und eine mit den eigenen Werten verbundene Zukunfts-Vision hat, kann sich eine Organisation entwickeln. Die Vision für Bibliotheken „spezielle Informationseinrichtungen“ (das Mantra meines Lehrers Paul Kaegbein) zu sein, hat sich mit Google, Wikipedia und der grassierenden Desinformation im Netz deutlich zerschlagen. Es bedurfte einer neuen „Vision“, eines neuen Konzeptes, das den Auftrag unserer Institution beschreibt. David Lankes hat diese seit ca. 10 Jahren mit seinem „New Librarianship“ entwickelt!

Was also ist Innovation?

Auf den berühmten Ökonom Joseph Schumpeter ist zurückzuführen, dass Innovation eine so große Bedeutung im Wirtschaftsdenken hat. Für ihn ist Innovation die technische Umsetzung der Invention und ist somit die Grundlage unternehmerischen Handelns. Schumpeter weist darauf hin, dass im Erkennen und Durchsetzen von neuen Möglichkeiten auf wirtschaftlichem Gebiet das Wesen der Unternehmerfunktion liegt. Für die Wirtschaft als ganzes sieht er hier die Basis der Konjunkturzyklen, bei denen er die „schöpferische Zerstörung“ des Vorgängerparadigmas im Auslöser „Innovation“ sieht! 
Bei einer Innovation handelt es sich laut Schumpeter konkret um „die Durchsetzung einer anderen als der bisherigen Verwendung nationaler Produktivkräfte, darum, dass dieselben ihren bisherigen Verwendungen entzogen und neuen Kombinationen dienstbar gemacht werden“
Schumpeters klassische Definition von Innovation: „the doing of new thingsor doing of things that are already being done in a new way“ (Schumpeter 1947, S. 151).
Daher ist „Innovation“ im Sinne des „Umsetzens“ und „Invention“ im Sinne des „Findens einer neuen Problemlösung“ zu verstehen. In unserem Fall muss also erst einmal verstanden werden, was das Problem (der Auftrag von Bibliotheken) ist.
Ähnlich Steve Jobs: „To generate ideas is to be creative; to convert ideas to results is to be innovative. Being innovative in an organised and user-oriented fashion is the essential competitive parameter of the 21st century”.
„Innovation wird erst dann zu einem dem Managementaspekt zugänglichen Begriff, wenn unternehmerische Relevanz gegeben ist, d.h. wenn Innovation zur Erreichung des Unternehmensziels erforderlich wird“. (Hennecke, 2015)
„Innovation = zielgerichtete Durchsetzung von neuen technischen, wirtschaftlichen, organisatorischen, und sozialen Problemlösungen, die darauf gerichtet sind, die Unternehmensziele zu erreichen.“ (Hennecke, 2015, 699f
Auch hier wird deutlich, dass Innovation ohne Ziel ein „siemensscher Lufthaken“ ist. Im Non-Profit-Bereich, kann es also nicht die schöpferische Zerstörung und der wettbewerbsfördernde Innovationsvorsprung sein! Bibliotheken haben nicht das Ziel, auf dem Markt des Geldes zu gewinnen!

Welche Prinzipien legt man nun an „Innovation / neue Kompetenzen / New Library Science“ an?

  • Folgt man eher der Empirie und dem Prototyping wie beim Design Thinking?
  • Ist das einzig erfolgversprechende Rezept die „Customer obsession“ wie bei Jeff Bezos?
  • Technologie-getrieben (Blockchain, Roboter)
  • Oder braucht man eher Frei- und Spielräume (wie es stets von erfolgreichen Unternehmen kolportiert wird: Google, 3M etc.) was den Aspekt Neugierde und Spieltrieb des Menschen ansprechen würde (Homo Ludens)
  • Oder leiten gar gut durchdachte Modelle, Konzepte, Theorien die Suche nach Lücken und Systemstellen, deren Ausfüllen Innovation bewirkt (Aarhus DOKK1 könnte das belegen: hier wurde intensiv das Vier-Räume Konzept Jochumsen et al. zur Entwicklungsgrundlage genommen. Interessant hierbei die Aussage von Ulla Wimmer: ÖB hat bisher alles daran gesetzt, eine Akademisierung zu vermeiden)
  • Der Business-Modell Canvas zur Geschäftsideeentwicklung wäre auch ein Beleg für ein so strukturiertes Vorgehen
Klar belegt ist allerdings aus der Kreativitätsforschung (z.B. Mihály Csíkszentmihályi), dass Neues nur entstehen kann aus der Verbindung unterschiedlicher Sphären, aus dem „über den Tellerand“ bzw. das eigene Netzwerk hinausschauenden.
Der Mathematikprofessor und ehem. Chief Technology Officer von IBM Gunther Dueck ist in einem jüngeren Video-Vortrag zu hören, bei dem er sagt, dass unser Hype „Innovation“ eigentlich volkswirtschaftlich zu hohe Kosten generiert und nicht wirklich sinnvoll ist: zu viele Startups sterben, zu viele Gründer beuten sich die ersten Jahre aus, bevor sie insolvent gehen…
Bei der aktuellen Bundes-Initiative, besonders sog. „Sprunginnovationen“ zu fördern, kommen einem dann besondere Zweifel auf.

Konkrete Empfehlungen

Tan/Higgins (2002) führten eine empirische Analyse von innovativen Organisationen vor, die der Studie von Bettina Windau im Projekt Bibliothek 2007 sehr ähneln (bei Windau jedoch nicht gerankt). Eine Organisation, die erfolgreich ist mit Innovation und Changemanagement ist, weist folgende Kriterien – in dieser Reihenfolge – auf:
  1. Vision
  2. Partizipativer Führungsstil
  3. Weiterbildung
  4. Positive Einstellung zum Lernen
  5. Teamarbeit
  6. Dialog-orientierte Atmosphäre
  7. Vertrauen und Gemeinsamkeit
  8. Experimentierfreudiges und fehlertolerantes Klima
  9. Employee empowerment
  10. Wissensmanagement Infratsruktur
  11. Leadership
  12. Spaß und befriedigende Arbeit
  13. Kundenorientierung
  14. Anpassungsfähigkeit
  15. Unbürokratische Strukturen
Und last but not least sei weiterhin auf Peter Senges Dance of Change hingewiesen, der bei den „Fünf Disziplinen“ des Wandels vor allem die Wichtigkeit und Problematik der letzten Disziplin („vernetztes Denken“ betont:
  • Personal Mastery: Selbstmotivation, Selbstwirksamkeit
  • Mental Models: Hinterfragen mentaler Modelle
  • Shared vision: Antizipation einer gemeinsamen Vision
  • Team learning: Lernen im Team: Dialog&Diskussion
  • SystemsThinking: vernetztes Denken

Weiterführende Gedanken (und die Refrenzen) dazu in dem erwähnten Handbuchbeitrag. Vieles entstammt Überlegungen einem einem eigenen BMBF Projekt zur Kreativitätsforschung im Datenmanagmentfeld (Data Creativity Tools) und aus verschiedenen für Bibliotheken entwickelten Weiterbidungsangeboten.