Paradigmenwechsel – Wandel – Revolution: Bibliothekare einig!

Ich denke alle 3156 Teilnehmer des Mannheimer Bibliothekartages waren sich einig darin, dass wir extrem revolutionäre Zeiten erleben. Und ich hatte den Eindruck: viele stellen sich dieser Herausforderung! Steve Ballmer wurde in einem Vortrag damit zitiert, dass die vergangenen zehn Jahre Technikentwicklung (die wir alle ja als recht dramatisch empfinden) nichts sein werden gegen, das, was uns in den nächsten zehn Jahren bevorsteht Stichworte: user created content, ubiquitious computing, wearables etc.). In der von Emerald organisierten internationalen Session des Bibliothekartags „Shakers and Movers“ wurde im Abschlusspodium an die Vortragenden die Frage gestellt, worauf Bibliotheken zukünftig am ehesten verzichten sollten: where shall we escape from and what shall we let go?

Die fünf Referenten aus fast allen Kontinenten hatten fünf treffende und differenzierte Antworten parat. Bibliotheken sollten verzichten auf:

  • die Fixierung auf das Gebäude: der Nutzer ist überall!
  • die Fixierung auf den Bestand: Personen sind wichtiger als die gesammelten Medien!
  • Kontrolle und Konventionen stören in der dynamischen, zunehmend unvorhersehbaren Welt: wir sollten mehr auf Flexibilität setzen als auf Autorität und Tradition – und vor allem beim Experimentieren auch Fehler zulassen!
  • die alten Publikationsriten (peer review, textbasiertes Publizieren) werden langsam anachronistisch, und – analog dazu:
  • wir sollten uns von dem Bild des passiven Nutzers ganz schnell lösen: jeder ist jetzt im Netz potenzieller Produzent!

Eine schöne und treffende Zusammenfassung der aktuellen Trends. Für mich eine Art Fazit des Bibliothekartags.

6 thoughts on “Paradigmenwechsel – Wandel – Revolution: Bibliothekare einig!

  1. jintan

    Kann man vielleicht auch sagen, dass bei der Revolution die klassische Bedeutung und Funktion der physischen Bibliothek (Bibliothek als Ort) verändern müssen, was mit dem ortsabhängigen Service betrifft, müssen natürlich auch verbessert werden, so dass die Kunden auf den physischen Bibliotheken fixieren können, aber nicht das Bibliotheksservice.

  2. K.P.

    Mir persönlich sind viele der genannten Punkte zu schwammig. Ich halte den Ort der Bibliothek für ganz zentral in meinem Selbstverständnis als zukünfitger Bibliothekar.
    Sicher muss man das Angebot der Bibliotheken erweitern und auch neue Gegebenheiten einplanen.
    Wichtiger ist doch aber, zumindest für mich, ein Punkt:

    Ich möchte den Menschen Spaß am Lesen vermitteln.
    Menschen die nicht gerne lesen, werden es schwer haben zu lernen. Lesen regt die Fantasie an und das Lesen fördert Sprachverständnis. Letztlich ist das Lesen die beste Förderung für selbstständiges Denken und somit auch irgendwie Grundpfeiler der Menschlichkeit.

    Die Wege der Leseförderung können natürlich unterschiedlich sein.

    Nur mein Selbstverständnis ist, dass der Ort der Bibliothek eine Anregung sein soll zum Lesen. Menschen sollen sich dort wohl fühlen. Bei der ganzen Diskussion um Web 2.0 sollte man nicht vergessen, dass für die meisten Menschen wichtigster Bestandteil des Lesens Bücher sind.

    Fazit (und diese Dinge gilt es für mich zu fördern)

    *Die Fixierung auf das Gebäude als Ort des Lesens
    *Fixierung auf die Personen (hier stimme ich überein mit den oben genannten Punkten*
    *Das Internet ist unglaublich dynamisch, starre Gebilde werden es immer schwer haben den Entwicklungen zu folgen. Daher sollten wir selbst Ideen entwickeln statt alten Ideen zu folgen.
    *Der Nutzer war schon immer aktiv. Er hat mit seinem Verhalten doch zumeist entscheidend Bibliotheken beeinflußt. Daher muss man dem Nutzer Aufmerksamkeit schenken und ihm einen Ort bieten, den er zu einem kulturellen Treffpunkt machen kann, zu einem Ort den man nicht nur nutzen kann, sondern einen Ort schaffen an dem Menschen bleiben.

    Daraus folgere ich abschließend:

    Für mich sollen Bibliotheken kulturschaffende Orte sein, die einem den Spaß und die Werkzeuge zum Umgang mit dem Lesen und Literatur im Allgemeinen nahe bringen.
    Daraus folgt meine Aufgabe als Bibliothekar: den Menschen diesen Ort nahe zu bringen und ihn zu unterstützen den Spaß und die Werkzeuge des Lesens und Verstehens zu erlernen.

    Ist diese Ansicht konservativ? Sie steht nicht komplett konträr zu den oben genannten Punkten, aber widersprechen doch an entscheidender Stelle!

  3. jintan

    ich weiß nicht, ob die Bibliothek noch funktionieren wird, wenn sie als Ort nur auf Lesen und die Bücher fixieren wird.

    Hier ist wieder eine grundlegende Frage, was ist eigentlich eine Bibliothek?

  4. roboico

    Habe hier noch einige Thesen und Fragen
    1. Sind die 3156 Teilnehmer sich nicht eher darüber einig, dass die „dynamische, zunehmend unvorhersehbare Welt“ die altbekannte Bibliothek „ankratzt“? Sie spüren den Wandel als herannahende Bedrohung, unwissend wie sie ihm begegnen können. („Stichwort: Everyone’s a librarian now“)
    2. Sind sie sich nicht auch deswegen einig, weil sie Ihren Platz in diesem Wandel vergebens suchen (alle Plätze sind ja schon von anderen Schnelleren besetzt.)
    3. Sie werfen deswegen diejenigen Paradigmen über Bord, die längst zur Disposition gestanden haben.
    4. Falls dem so ist, ist dann Revolution nicht eher gleichbedeutend mit Reaktionismus?

  5. Pingback: Postmoderne Bibliotheken - Phoenix aus der Asche « BibliothekarInnen sind uncool

  6. K.P.

    Weit über das Ziel hinaus geschossen!

    Der Auflösungsprozess ist allenfalls eine wissenschaftliche Diskussion. Ein Blick bzw. ein Gang in die Bibliotheken zeigt doch deutlich andere Realitäten auf. Sicher werden Neuheiten die Tätigkeiten und das Umfeld von Bibliotheken bereichern, aber die Annahme es gäbe einen Auflösungsprozess halte ich für nicht belegbar.
    Ein Blick auf die Lese- und Benutzungsgewohnheiten in z.B. Öffentlichen Bibliotheken genügt dafür an dieser Stelle.

    Veränderung gibt es immer, es wäre schlimm wenn es nicht so wäre.

    Eine interessanter Link zu diesem Thema:

    http://www.bibliothek2null.de/

    und die Diskussion zum Thema:

    “21 gute Gründe für gute Bibliotheken“

    http://www.bideutschland.de/download/file/Buhrfeind_21_Gute_Gruende_fuer-gute_Bibliotheken_21-05-2008%20.pdf

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