Publizieren mit Weblogs

Warum publizieren Sie in einem Fachblog

Abb. 15: Frage 1: Warum publizieren Sie in einem Fachblog und nicht in einem anderen Kommunikations- oder Publikationsmedium

Die Diplomarbeit von Heidi Stieger: Fachblogs von und für Bibliothekarinnen: Nutzen und Tendenzen. Mit Fokus auf den deutschsprachigen Raum (Chur März 2007) in endlich erschienen in den Churer Schriften. Viele Kollegen der „Bloggerszene“ haben ja mitgewirkt und mit Spannung auf die zitierfähige Ausgabe gewartet. Leider ist natürlich die Print- oder Quasiprintausgabe etwas im Zeitverzug. Die konkreten Überblicke und empirischen Darstellungen sind deswegen vielleicht nicht mehr ganz valide für das Frühjahr 2007 (die Diplomarbeit wurde im Spätsommer 2006 geschrieben). Dennoch ist es erfrischend, einmal einen systematischen Blick von außen geliefert zu bekommen. Hier gibt es eine Reihe von interessanten Literaturaufarbeitungen aus dem anglo-amerikanischen Raum, die wieder die Differenz spüren lassen.

Interessant die empirische Feststellung, dass die Bloggerinformation inzestuös ist, d.h. sich vornehmlich Quellen aus Blogs und online Medienseiten bedient und nicht aus der Printwelt zitiert. Mit dem vermuteten Ergebnis, dass damit keine neuen Inhalte produziert werden. Die Arbeit selbst belegt an einem Netbib-Beispiel, dass dennoch „neue Inhalte“ – allerdings in den Kommentaren – zustande kommen. Hier könnte aber noch analytischer nachgefragt werden.

In der Abbildung oben (Auswertung der Frage: „Warum publizieren Sie in einem Weblog“) wird deutlich, dass Blogs als eine „einfache Publikationsform“ verstanden und genutzt werden. Häufig noch in der Freizeit, woraus Heidi Stieger schließt, dass Web2.0 noch als Spielerei und Zeitverschwendung empfunden wird. Deutlich wird aber auch gemacht, dass Weblogs spezifische Publikationsmedien sind, die andere nicht ersetzen, sondern nur ergänzen können. Wesentliche Spezifika sind (ganz Web2.0) die größere Personalisierung: “ ‚Ich‘ ist vollkommen normal“

Das Wort „ich“ ist vollkommen normal und keine Ausnahme. Der Autor ist an keine politischen oder wirtschaftlichen Zwänge gebunden und kann sich als Individuum einbringen. Im Gegensatz zur Fachzeitschrift […] sind die Diskussionen im Fachblog […] kontrovers, authentisch und subjektiv. (59)

Für den Fach-Blog spezifisch ist jedoch:

Der Autor ist in der Regel im Hintergrund spürbar […]. Der Grad der Subjektivität ist jedoch verschieden stark. Bemerkenswert ist, dass die Mehrheit der Autoren unter ihrem echten Namen agiert. (43)

Damit ist auch im Fachblog eine Autorschaft gewahrt, aber die strenge Verpflichtung zu Objektivität und Seriosität eines Fachartikels gemindert. Das erleichtert mit Sicherheit die öffentliche fachliche Äusserung zusammen mit der Geschwindigkeit des Erscheinens der Publikation.

Das andere wichtige Charakteristikum des Blogs ist die hieran beobachtbare Wiederkehr des Hypertexts und die dazu notwendige Atomisierung der Publikationsthemen. Blogs sind nicht mehr „Inselmedien“ der Verlagsprodukte, in denen Hypertextelemente lediglich zur Navigation dienen, sondern Oszillationsmedien.

Bei Weblogs handelt es sich aber um Informations- und Medienseiten, die nicht als Inselmedien, sondern als „Oszillationsmedien“ auftreten […]. Die Inhalte stehen nicht mehr allein für sich da, sondern „entfalten sich um einen Link“, der auf eine andere Seite verweist. Das Netz wird somit als Netz genutzt. Der Link wird zu einem Bestandteil des Beitrages. Es entstehen Texte, die unbegrenzt sind und kein Ende mehr haben. Links sind ein Ausgangspunkt des Schreibens und ergänzen nicht mehr bloss die fertigen Artikel […]. Der Text alleine ist nicht brauchbar, erst das „Aussenrum“ verhilft dem Text zu Wert […]. Durch die Links stehen Nachrichten, Texte und Kommentare in enger Beziehung. Dadurch kann ein neuer Kontext entstehen. (51)

Eben: Weinbergers Theorie des Webs: „Small Things Loosely Joined“.

Lucian Weisel, FIZ Karlsruhe (Vorstandsmitglied der DGI, auf Urlaub in Leipzig), fragte auf dem BID Kongress im Zusammenhang mit der schönen Diplomarbeit von Julia Hinz zu Open Access im LIS Bereich in Deutschland nach der Reputation informationswissenschaftlichen Publizierens in Deutschland. Im Gegensatz zu anderen Ländern gibt es ja bei uns (in unseren Fächern) noch nicht einmal eine Verpflichtung für Hochschullehrer zur (wissenschaftlichen) Publikation. Der Anreiz ist ja auch gering: IWP und BFP sind nicht mehr bei ISI im Journal Citation Report und auf JASIS Niveau kommen wir sicher auch wegen der Sprache nicht. Da bleibt eben nur der Blog. 😉 Aber ob dieses Medium der deutschen LIS tatsächlich weiterhilft?

Einerseits. Andererseits ist es aber eben auch die zeitgemäße Form des Publizierens. Warum an der Metapher der gedruckten (und damit zitierfähigen) Seite festhalten, wenn man Blogeinträge mit Permalinks hat? Die Gefahr ist – und darauf weist implizit die Diplomarbeit hin – wenn ein Blog eine unspezifische Themenausrichtung erhält. Je höher die fachliche Spezialisierung, desto erfolgreicher die Blogs. Im klassischen Marketing : die USP. Es handelt sich also bei Blogs auch darum, das schulmeisterliche „Thema verfehlt“ zu vermeiden!? Wieder auf der Gradwanderung zwischen Personen- und Sachorientierung.

Nach dem schönen Vortrag von Edlef Stabenau auf dem BID Kongress nun eine weitere fundierte Analyse zu Fachblogs.

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