Tag Archives: IuD

Wissen und Können verpflichten

Welch eine Überraschung, als ich aus dem Urlaub kommend das Buch vorfinde:

Münch, Vera (2020): Wissen und Können verpflichten. Arnou de Kemp – vom Oude Rijn zur Havel. Hg. v. Anne Bein. Berlin: Edition zum See. 104 S.,  ISBN: 978-3-1006-1944-0

Ein wundervoll geschriebenes und gestaltetes, wirkliches Buch für und über eine wunderbare Persönlichkeit. Wir (d.h. vor allem der Ehrensenator der FH Potsdam Wolfgang Hempel zusammen mit Hinrich Enderlein, Helmut Knüppel, Joachim-Felix Leonhard und Julius H. Schoeps) hatten Arnoud de Kemp im letzten Jahr (vergeblich) für das Bundesverdienstkreuz vorgeschlagen, u.a. für seine Verdienste bei der Gründung und Ausstattung (mit IID und IZ) des Fachbereichs „Archiv-Bibliothek-Dokumentation“ an der Fachhochschule Potsdam. Nun ist als „Nicht-Festschrift“ dieser Band erschienen, der ein Schlaglicht wirft nicht nur auf die Person Arnoud de Kemp, sondern auch auf die Entwicklung von fast 50 Jahren Fachinformation in Europa praktisch von den IuD Programmen der Bundesregierung an bis zur Infobase, der Deutschen Gesellschaft für Dokumentation (DGD), dessen Präsident er einige Jahre war, und zur APE („Academic Publishing in Europe“), die er erfolgreich unlängst auf neue Füße gestellt hat. Es ist eine große Ehre für den Fachbereich in dieser Lebensgeschichte eine Rolle gespielt zu haben! Danke dafür Arnoud! Continue reading

Geschichte – revisited

Cover Geschichte in den Fächern

Cover Geschichte in den Fächern, FHP 2015

Als Ergebnis des neuen Diskussionsformats „Kompetenztisch“ an der Hochschule erschien diese Woche der erste Band im FHP Verlag mit den Texten aus verschiedenen Fächern herausgegeben von Susanne Freund. Naturgemäß dominiert etwas der Fachbereich Informationswissenschaften vor allem mit seinem Bereich Archivwissenschaft. Hartwig Walberg berichtet über Stadtgeschichtsforschung, Karin Schwarz über das Entstehen von Geschichte im Digitalen und Susanne Freund über Interdisziplinarität in der Digitalisierung als Zukunftsperspektive. Aber auch der genuin informationswissenschaftliche Anteil an dem Band ist beachtlich mit einem Text von Angela Schreyer (mit Andreas Kahlow) zur historischen Dokumentation bei der Holzmann AG und einem Text von mir zur Geschichte der Fachinformation, der größere Aktualität gar nicht haben konnte angesichts der Neueinführung von Fachinformation im deutschen Bibliothekswesen.

Der Blick über den Tellerrand (vulgo „Interdisziplinarität“) ist gerade hier besonders interessant, wenn z.B. Andreas Kahlow (Fachbereich Bauingenieurwesen) über Konstruktionsgeschichte schreibt oder der Medientheoretiker Jan Distelmeyer über „Wechselwirkungen – Geschichte und Theorie der technischen Medien“, so ergeben sich spannende Interferenzen zur Raumdiskussion bzw. zur Frage des Interface in den Informationswissenschaften.

Dennoch: gerade die Nebeneinanderstellung der Texte (Distelmeyer würde sagen: die „mise-en-scène“) macht deutlich, wie wenig selbst an einem so fassbaren Konzept wie „Geschichte“ der interdisziplinäre Diskurs fehlt und es zu keinem Austausch kommt. Selbst innerhalb des einen Fachbereichs, der diesen Band besonders bestimmt. Eine Transdisziplinarität, wie der Untertitel des Bandes sie suggeriert ist via Geschichtswissenschaft nicht wirklich erkennbar wenn es keine gemeinsame fachliche Basis – etwa in Form einer geschichtswissenschaftlichen Methodendiskussion oder eines gemeinsamen didaktischen Ansatzes – gibt.

-> Hier der komplette Band Open Access.

 

 

Rat für Informationsinfrastrukturen

Rat für Informationsinfrastrukturen (Nov. 2014)

Das sind sie also. Die, die über das Schicksal der Informations- und Wissensgesellschaft in Deutschland entscheiden werden. Der Rat für Informationsinfrastrukturen hatte diese Woche konstituierende Sitzung.

Vgl. dazu die Pressemitteilung des BMBF und der Uni Göttingen. Das neue Gremium ist mit vergleichsweise viel (oder eben viel zu wenig) Geld ausgestattet und soll in fünf Jahren Arbeit recht schwierige globale Probleme lösen. Ich frage mich, ob die Mitglieder des Rates dem Thema werden entsprechen können. Mir fehlt in der Zusammensetzung des Rates (wie ist sie nur zustande gekommen?) die informationswissenschaftliche Kompetenz. Aber das ist sicher Geschmacksache und eine Frage des Alters.

Potsdam prominent in der Fachzeitschrift „Information. Wissenschaft und Praxis“

IWP Cover Die renommierte Fachzeitschrift der Informationswissenschaft in Deutschland „IWP“ (die einzige, die im ISI Citation Index erfasst wird) hat es sich zu einer schönen Tradition gemacht, die wenigen verbliebenen informationswissenschaftlichen Standorte in dedizierten Themenheften vorzustellen. Unlängst kamen Düsseldorf und Hildesheim sehr schön zu Wort mit sehr aufschlussreichen und wissenschaftlich hochwertigen Artikeln.

Der kleine Potsdamer Fachbereich hatte dies bisher noch nicht geschafft. Die jetztige Ausgabe 62(2011)5 hat es dennoch unfreiwillig dazu gebracht, dass Potsdam im Zentrum der Diskussion steht, ohne ein Themenheft zu sein. Schon im Editorial „Tot-Schweigen der Dokumentation“ bescheibt Marlies Ockenfeld sehr schön, wie es dazu kam, dass wir nunmehr über das Wort „Dokumentation“ und sogar über Studiengang und Berufsfeld streiten müssen. Unter dem Titel „Studienreform an der FH Potsdam“ wird sodann auch ein langes Gruppeninterview dokumentiert (S.243-250), das der DGI Vorstand und die IWP mit Vertretern des Fachbereichs geführt hat, um zu erfahren, was die Beweggründe waren, den Studiengang „Information und Dokumentation“ in Potsdam zu schließen und wie die Zukunftsoptionen sind.

Pikanterweise findet der geneigte Leser in den zwei Artikeln davor Beiträge zur fachlichen Zukunft von Potsdamer Autoren: Steffen Richter bekam hier die Möglichkeit, seine im Frühjahr 2011 abgeschlossene Bachelor-Arbeit (Studiengang Bibliotheksmanagement) gekürzt abzudrucken: „Die Bibliothek als Ort und Raum. Verfahren zur Wirkungsmessung“ (S. 225-236). Auch und gerade in dieser Druckversion finde ich sie immer noch sehr lesenswert, auch wenn ich mir andere wissenschaftliche Ergebnisse für die Zukunft der Bibliothekswissenschaft gewünscht hätte. Im Anschluss daran (S. 237-241) hat die Zeitschrift dankenswerterweise meinen Einführungsvortrag zum zweiten I-Science-Tag abgedruckt: ein wie ich finde recht anspruchvoller Text, den ich erstaunlicherweise auf dem Krankenlager zustande gebracht habe: „Auf dem Weg zu den Paradiesen des visuellen Web3.0„. In dem Vortrag habe ich versucht, der zu Thema Semantic Web und Informations-Visualisierung stattfindenden Tagung kritsiche Impulse zu geben und bin dabei ‚zufällig‘ zum Mooreschen Gesetz und beim Konflikt zwischen Weizenbaum und Minsky zum Thema Informationsethik angekommen. Über Feedback zu den Thesen würde ich mich freuen. (Der zweite Teil des Einführungsvortrag zum Thema „Konsequenzen für die Ausbildung“, den Herr Kollege Büttner übernommen hat, ist für eine folgende Ausgabe geplant.)

Die experimentelle Online-Ausgabe der Zeitschrift IWP ist erreichbar unter der URL: http://www.agi-imc.de/isearch/DGI_publications.nsf (Allerdings würde ich das Aufheben der gedruckten Ausgabe empfehlen: in dem Heft sind noch einige andere Texte, Stellungnahmen und Kurznotizen, die es zu einem historischen Dokument werden lassen.)

IuD Neuauflage? Dokumentare vor der Wende

Auf einem Workshop bei der GESIS hatte ich am Freitag (17.5.) und Montag (19.5.) die Gelegenheit über neuere Entwicklungen und Tendenzen in der Informationswissenschaft zu sprechen, speziell über den Kernbereich IuD/Retrieval/Informationsvermittlung. Es war deshalb so spannend, weil die Dokumentare des IZ Sozialwissenschaften und die dort forschenden Informationswissenschaftler ja unlängst von der BLK zur Speerspitze der informationswissenschaftlichen Entwicklung erhoben wurden (Arbeitsgruppe ‚Zukunft der Fachinformation‘).

Marc Rittberger und Christa Womser-Hacker waren die beiden anderen Referenten, die insgesamt ein sehr differenziertes Bild von „Fachinformation aktuell“ zeichneten. Marc Rittberger stellte die integrativen Dienstleistungen des IZ Bildung vor und Christa Womer-Hacker berichtete über die aktuellen Entwicklungen in der klassischen Retrieval Forschung. Mein Hauptthema war die von Ingwersen und Järvelin postulierte Wende in der Retrieval Forschung und der Neuansatz von Informationsverhaltensforschung, der sich in den letzten 15 Jahren herausgebildet hat:

Kombiniert mit der 2.0-Debatte, den Technologie-Hypes und einigen klassischen Erkenntnissen der Informationswissenschaft ergibt sich zunächst für mich ein erstes Bild einer gänzlich anderen Ausrichtung von Informationsarbeit generell. Wie diese konkret aussehen soll, kann ich allerdings auch noch nicht sagen: ich weiß nur, dass die Informationsnutzer, für die Dokumentare produzieren, auch schon (wo)anders sind. Und die Fachinformation muss diesen neuen Geschäftsmodellen folgen und nicht nur weiter an nutzerfernen Informationssystemen basteln.

Was ich vor Jahren im Bibliotheksbereich mit eingeführt habe – nämlich einmal über Dienstleistungsqualität nachzudenken – scheint im IuD-Bereich noch nicht sehr angekommen zu sein. Es gab im Auditorium Erstaunen darüber, dass der Nutzer bstimmt, was er für Qualität hält, selbst wenn die gelieferte Information schlecht oder falsch ist. Unsere tägliche Erfahrung mit Google zeigt es uns aber täglich am eigenen Leib, wie schnell wir mit Information zufrieden sind.