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Nikolaus Wegmanns ‚Bücherlabyrinthe‘ immer noch aktuell

Cover Wegmann 2000In seiner Antrittsvorlesung als nebenberuflicher Professor unseres Fachbereichs wies Prof. Dr. Thomas Stäcker (Vortrag 22.11.17 mit dem schönen Titel: „Die Bibliothek als Schnittstelle – Überlegungen zur Funktion von Bibliotheken im digitalen Zeitalter„) an mehreren Stellen auf Nikolaus Wegmanns Bücherlabyrinthe [1].

Neben den Kopenhagener Papieren wie dem Four-Spaces/Three Functions model, das die Basis bildete für DOKK1 in Aarhus, dem New Librarianship von David Lankes, der französischen Analyse zum Digitalen Dokument mit der Gruppe Roger T. Pédauque, dem neuen Blick auf den Katalog durch Markus Krajewski gehört dieses Buch für mich immer noch zum Kanon der deutschen LIS (Bibliotheks- und Informationswissenschaft). Thomas Stäcker, der lange Jahre in Wolfenbüttel im wahren Sinne des Wortes im dortigen Bücherlabyrinth gearbeitet hat und seit kurzem die Universitätsbibliothek der TU Darmstadt (mit seiner restlichen 75%-Stelle) leitet, erwähnte und zitierte Wegmann und Pédauque recht zentral. Lankes, Four Spaces und Krajewski kamen jedoch (noch) nicht vor.

Interessant ist aber vor allem, dass hier versucht wurde, eine Verbindung zu schaffen zwischen dem eher medienwissenschaftlichen Ansatz zur Erklärung des Dokuments im Digitalen Zeitalter (Pédauque und Wegmann) mit aktuellen Entwicklungen der Bibliotheksinformatik. Passend war ja auch, dass der Semantic Layer Cake von Tim Berners-Lee in die Argumentation eingebracht wurde, wo wir im Masterkolloquium in der Sitzung davor beim Thema Blockchain (Vortrag von Lambert Heller) ebenfalls über „Vertrauen“ in der Digitalen Transformation diskutiert haben. Unser Masterstudiengangs Informationswissenschaften hatte ja zudem das Thema „Schnittstelle/Interface“ und „Transfer/Vermittlung“ selbst schon als gemeinsamen Ausgangspunkt auf der ersten Klausurtagung des Fachbereichs im Jahre 2009 gewählt. Bemerkenswert an der Reise des Masterstudiengangs bis zur Re-Akkreditierung in diesem Jahr ist allerdings vor allem, dass wir zunehmend betonen, dass beim Konzept Information „genauer hingeschaut“ werden muss. Im Übrigen haben wir auf unser Modul zu Semantic Web verzichtet, nicht nur weil es in der Praxis (noch?) keine Rolle gespielt hat, sondern, weil hier offensichtlich eine eher konzeptionelle Sackgasse vorliegt. Der Keynote Vortrag von Manfred Thaller auf dem letzten Masterday wies ja ebenfalls darauf hin und gab weitere Unterstützung und Anregung dafür, dass die LIS („Library and Information Sciences“) „have to digg deeper“ …. und das von einer eigentlich unverdächtigen Autorität der Digital Humanities, in deren Richtung der Fachbereich nun gerne gehen möchte (vgl. dazu hier im Blog).

Vieles fügt sich für mich zusammen: so wie Pédauque und Jean Michel Salaün den digitalen Wandel der Institutionen über die Funktionen des Dokuments neu deklinieren (und die Bibliothek als Ort der Lesbarmachung des Textes definieren), die Kopenhagener um Henrik Jochumsen dies über den dritten Ort und partizipativen Raum der Bibliothek in der Community machen, so schaut Markus Krajewski [2] besonders genau auf die Schnittstelle in ihrem Wandel und weist auf verlorene Funktionen dieser Urinstitution. Insbesondere bei David Lankes ist dann die Schnittstelle der Kommunikation mit der Kybernetik Gordon Pasks die Fundierung für eine neue Sicht auf Bibliotheken als Katalysatoren des Wissens in den Communities [3]. Auch die noch offene Diskussion über die Grundlagen der Informationswissenschaft im engeren Sinn, zeigt für mich in die gleiche Richtung [4], wenn z.B. Jonathan Furner, aber auch Michael Buckland darauf insistieren, dass LIS eher eine kulturwissenschaftliche als eine technologische Basis haben (sollten) [5].

In dieser Reihe sehe ich schon immer Nikolaus Wegmanns Buch als einen Ausgangspunkt. In der Lehre nutzen wir ja auch immer wieder einzelne Kapitel als Einstiegslektüre z.B. zum Thema „Informationsbewertung“ oder zu Fragen der Intertextualität bei Lektüre und Retrieval. Seine Herangehensweise bringt die Diskussion ähnlich wie die Krajewskis oder in anderem Kontext: die Gedächtniskonzeptionen von Aleida und Jan Assmann, immer wieder auf prinzipielle Fragen wie sie bei der Institution Bibliothek, dem wissensvermittelnden und -produzierenden Medium und der Informationssuche immer schon zentral waren. Wie das Kaninchen vor der Schlange der Digitalisierung stehend vergessen wir zuviele solcher Grundlagen. Offensichtlich haben wir aber z.Zt. die Chance einer Rückbesinnung, weil viele aufgrund der Auswirkungen der Digitalen Disruption und ihrer Beschleunigung doch prinzipiellere Fragen stellen. Eine ruhigere und tiefergehende Reflexion der Grundlagen tut Not – nicht nur um das eigene informationstechnische Tun zu verstehen, sondern vielleicht auch um zu erkennen, was das alexandrinische Zeitalter mit uns macht. Wegmann lässt dabei immer wieder (bis jetzt noch:) vertrauenswürdige Autoritäten wie Goethe, Lessing, Herder, Nietzsche, Musil, Derrida oder Gumbrecht zu Wort kommen, die sich schon länger mit Fragen der Informationsflut und des Findens wertvoller Informationen beschäftigt hatten.

Dank an Thomas Stäcker, hieran erinnert zu haben.

[1] Wegmann, Nikolaus (2000): Bücherlabyrinthe. Suchen und Finden im alexandrinischen Zeitalter. Köln u.a.: Böhlau.

[2] Krajewski, Markus (2011): Gewandelte Zentralinstanz. Vom Bibliotheksdiener zum OPAC. In: Uwe Jochum und Armin Schlechter (Hg.): Das Ende der Bibliothek? Vom Wert des Analogen. Frankfurt am Main: Klostermann, S. 37–52. (spannend auch seine: Paper machines. About cards & catalogs, 1548-1929. Cambridge, Mass: MIT Press, 2011  (History and foundations of information science)).

[3] Lankes, R. David (2011): The atlas of new librarianship. Cambridge, Mass: MIT Press.

[4] Ibekwe-SanJuan, Fidelia; Dousa, Thomas M. (Hg.) (2014): Theories of Information, Communication and Knowledge. A Multidisciplinary Approach. Dordrecht: Springer Netherlands (Studies in History and Philosophy of Science, 34).

[5] Furner, Jonathan (2015): Information Science is Neither. In: Library Trends 63 (3), S. 362-377; Buckland, Michael (2017): Information and Society. Cumberland: MIT Press (The MIT Press Essential Knowledge Series).

Symposium zur 100 Jahr Feier der Landesfachstelle

Banner der Landesfachstelle auf dem Symposium (Photo: Hobohm)

Am 14. Juni 2017 feierte die Landesfachstelle für Archive und Öffentliche Bibliotheken des Landes Brandenburg das 100 jährige Bestehen der bibliothekarischen Fachstellenarbeit mit einem großen Fachsymposium, zu dem über 150 Teilnehmeraus ganz Brandenburg und Berlin angereist waren.

Teilnehmer des Symposiums (Photo Andrea Hansen)

Es war das (wie oft in Deutschland:) ehrenamtliche Schaffen eines Schulbibliothekars, das vor ca. 100 Jahren den Anstoß gab (ähnlich wie fast 90 Jahre vorher Karl Preusker in Großenhain). Noch während des ersten Weltkriegs (im Jahr 1917) „wurde der Lehrer und nebenamtliche Leiter der „Bücher- und Lesehalle“, wie man es damals formulierte, der Stadt Frankfurt an der Oder, Felix Plage, vom dort ansässigen Regierungspräsidenten zum Leiter der staatlichen Volksbüchereiberatungsstelle für den Regierungsbezirk Frankfurt an der Oder berufen“, so berichte der aktuelle Leiter der Landesfachstelle Michael Scholz in seinem Eröffnungsvortrag die Geschichte.

Photo: Andrea Hansen

Mit musikalischer Umrahmung, sehr leckerem Catering, sehr feierlichen Grußworten der Kultusministerin des Landes, des Präsidenten der Hochschule, von DBV und Fachstellenkonferenz und bei schönstem Wetter wurde vor allem die Zukunft der Bibliotheken „vor dem Hintergrund von Digitalisierung und demographischem Wandel“ thematisiert.

Franz Reinhard Habbel (DStGB) Photo: Andrea Hansen)

Dazu sprach der Festredner Franz-Reinhardt Habbel vom Deutschen Städte- und Gemeindebund (DStGB) sehr anschaulich zu »Digitale Strategien für ländliche Regionen«.

Aus dem TRAFO Programm Modelle für Kultur im Wandel, sprach Samo Darian zur  Transformation von Kultureinrichtungen im ländlichen Raum. 

Und als besonders Highlight hatten wir Henrik Jochumsen aus Kopenhagen einladen können, der das an der dortigen Bibliotheksschule entwickelte „Vier-Räume/Drei-Funktionen-Modell“ für Bibliotheken mit sehr konkreten Beispielen erläutern konnte. Henrik behauptete, dass sein Deutsch nicht gut genug sei, so dass ich seinen Vortrag konsekutiv dolmetschte. Uns beiden hat diese Situation recht viel Spaß gemacht und ich glaube durch die zweisprachige Doppelung der Erläuterung der Präsentationsfolien war sein Vortrag besonders eindrucksvoll. Es ist ja auch faszinierend wie sehr eine gute konzeptionelle Durchdringung des Phänomens Bibliothek tatsächlich auch zu neuen erfolgreichen Bibliotheksrealisierungen wie DOKK1 führen kann, ohne dass alte Aktivitäten aufgegeben werden.

Henrik Jochumsen (Photo: Andrea Hansen)

Es wird nur klarer, was Bibliotheken eigentlich machen. (Gerne verweise ich hier dann doch auf meinen Text: Bibliothek im Wandel. Kap. D12. In: Rainer Kuhlen, Wolfgang Semar und Dietmar Strauch (Hg.): Grundlagen der praktischen Information und Dokumentation. Handbuch zur Einführung in die Informationswissenschaft und -praxis. 6. Aufl. Berlin: De Gruyter Saur, 2013, S. 623–633.)

Konsekutivdolmetschen (Photo: Andrea Hansen)

 

Angekündigt war der gemeinsame Vortrag wie folgt: »Erlebnis, Empowerment, Beteiligung und Innovation: Die neue Öffentliche Bibliothek«
Prof. Henrik Jochumsen PhD
Royal School of Library and Information Science, University of Copenhagen
Prof. Dr. Hans-Christoph Hobohm, Fachhochschule Potsdam.

Den Abschluss bildete die für die Landesfachstelle etwas jüngere Perspektive der Archivberatung mit einem Vortrag von Markus Stumpf, LWL-Archivamt für Westfalen zum Thema: »Auswirkung der Digitalisierung auf die kommunalen Archive«, der besonders viel Diskussion hervorrief, da offensichtlich langsam erkannt wird, was Digitalisierung wirklich bedeutet.

Schlange am Mittagsbuffet (Photo: Andrea Hansen)

 

 

 

New Librarianship auf dem Tag der Bibliotheken in Cottbus

Am 11. März 2017 konnte ich das New Librarianship Konzept von David Lankes auf dem Berlin-Brandenburger „Tag der Bibliotheken“ vorstellen. Im Minute Madness und mit kleinen Guerilla-Marketing Aktionen machten der Verlag und ich gleichzeitig auf das gerade erschienene Buch in deutscher Übersetzung aufmerksam. Die Resonanz war groß, obwohl es ja in einem recht kurzen Vortrag eher irritierend erscheint, davon zu sprechen, dass die Aufgabe von Bibliotheken nicht Bücher, sondern „Konversationen“ sind.

 

Strategic Role of Public Libraries to co-manage urban complexity

Kurzvortrag zur Projektskizze im JPI Urban Europe

anläßlich der Veranstaltung „Potsdam Innovativ vor Ort“ am 10.10.2013 in der FH Potsdam

Es war eine interessante Veranstaltung in Kooperation mit der Wirtschaftsförderung der Landeshauptstadt Potsdam. Drei Vorträge der FHP (Ortgiese, Heidmann, Hobohm), die die recht breite Palette von Forschungsaktivitäten mit Wirtschaftsbezug an der FH zeigen.

Ich habe einen ersten Einblick gegeben in unser auf der Startrampe stehendes EU Projekt.

Internationale Konferenz „Stadt der Ströme“ (Rückblick)

conference banner in front of the theatre

Als einer der Höhepunkte und Abschluss des Jubiläumsjahrs der Fachhochschule Potsdam (20 Jahre FHP) veranstaltete das Innovationskolleg der Hochschule eine multidisziplinäre, internationale Tagung zu Fragen der Entwicklung der Informationsgesellschaft im urbanen Umfeld. Im Innovationskolleg arbeiten seit zwei Jahren vier Kollegen aus verschiedenen Fachdisziplinen unter dem Motto „Stadt-Klima-Potsdam“ zusammen und im Laufe dieser Konfrontation von Diskursen aus Interface Design, Sozialarbeit, Kulturarbeit und Bibliothekswissenschaft entstand die Idee einer interdisziplinären Tagung, bei der internationale Experten aus den jeweiligen Fachgebieten zu den digitalen Entwicklungen der letzten Jahre Stellung nehmen bzw. Praxisbeispiele aus ihrem Feld präsentieren sollten. Continue reading