Podiumsdiskussion zum Berufsbild

In einem Seminar unseres Honorarprofessors Dr. Andreas Degkwitz wurde im letzten Semester intensiv über die Zukunft des Berufsstandes der BibliothekarInnen gesprochen. Zu Beginn des Wintersemesters entstand daraus eine öffentliche Podiumsdiskussion, deren Aufzeichnung jetzt vorliegt. Herzlichen Dank dafür. Der aktuelle Abschlussjahrgang – einer unserer letzten, die noch „B.A. Bibliotheksmanagement“ auf dem Zeugnis werden stehen haben – hat hier mutig eine dringend notwendige Debatte angestoßen. [schade nur, dass im Video teilweise unvermittelte Lücken auftauchen: „Zensur“?]

Eine interessant zusammen gesetzte Runde aus wissenschaftlichen Bibliotheken und Stadtbibliotheken diskutierte am 17. Oktober 2017 in der Stadt- und Landesbibliothek in Potsdam (auch mit dem Publikum) über die empfundenen Imageprobleme der Institution und des Berufsstandes. Warum werden Bibliotheken immer mit „Büchern“ verbunden und sollte man nicht den Namen ändern? Was haben die Verbände falsch gemacht? Sollte man nicht doch lieber nur Informatiker ausbilden? Gibt es in fünf Jahren noch Bibliotheken?

Drängende Fragen, die an die Podiumsteilnehmer gestellt wurden. Eine richtige Antwort blieb die Diskussion jedoch schuldig. Allerdings, abgesehen von der Tatsache, dass „biblio“ nicht „Buch“ bedeutet, wurde interessanterweise von den Diskutanden darauf hingewiesen, dass man sich doch mal wieder mit der Geschichte der Bibliothek auseinander setzen sollte, um sie zu verstehen. Ich würde hinzufügen: vielleicht gerade auch mit der jüngsten Geschichte von Bibliotheken in anderen Ländern.

Das könnte Aussagen relativieren, wie: „Es wird zuviel Geld für Bibliotheken ausgegeben. … der Beruf ist sowieso überholt.“ Das paritätisch besetzte Panel machte auf jeden Fall deutlich: wissenschaftliche Bibliotheken werden ein Ressourcenproblem bekommen und starke Personalreduktionen, während Stadtbibliotheken im Aufwind sind (und das sogar in Berlin und Brandenburg). So dass die Entscheidung der FH Potsdam, sich auf wissenschaftliche Bibliotheken zu konzentrieren, in einem neuen Licht steht.

Andererseits kam aus dem Publikum das deutliche Statement, dass Bibliotheken viel mehr sind als sie scheinen. Dem Vorwurf, sie müssten sich ändern oder zumindest anders darstellen, wurde begegnet, dass gerade dieser Berufsstand sich im stetigen Wandel befindet, weil er immer auf die gesellschaftliche bzw. wissenschaftliche Entwicklung reagiert.

Leider konnte ich nicht persönlich an der Veranstaltung teilnehmen, aber beim Anschauen des Videos habe ich öfter mal auf das Datum geschaut, fühlte ich mich doch einige Jahre, fast Jahrzehnte in die Vergangenheit zurückversetzt. Hat sich die Diskussion wirklich nicht geändert? Reden wir wirklich immer noch über „access vs ownership„? Wo ist denn eigentlich der Wissensstand der letzten Jahrzehnte? Man sprach auch immer noch über die Notwendigkeit der Kundenorientierung (!) oder die Kenntnis von Produktentwicklung (vulgo „Marketing“, obwohl das Fach in Potsdam gerade abgeschafft wurde). Hat sich gar nichts geändert? Wirklich eine äusserst paradoxe und deprimierende Veranstaltung zum Stand der Bibliothekswissenschaft.

An einzelnen Stellen wurde auf die dänischen Modelle, das New Librarianship von David Lankes oder auch die alten Kaufhausbibliotheken der Niederlande verweisen. Es gibt offensichtlich schon länger viele positive Ansätze. Man sollte sie nur wohlwollend zur Kenntnis nehmen und nicht sagen „not invented here„.