Offene Briefe im „Scherbenhaufen“

Lewandowski Analyse des KSS Netzwerks (ISI Tagung Zadar 2015)

Lewandowski Analyse des KSS Netzwerks (ISI Tagung Zadar 2015)

Die Informationswissenschaften (!) erleben im Moment eine schwere Zeit. Nach der „Causa Ball“, bei der der Direktor der UB der ETH Zürich die Bibliothekswelt gegen sich aufbrachte, kamen zeitgleich mehrere andere Hiobsbotschaften und traurige Nachrichten in unser Wissenschafts- und Praxisfeld. So verlieren wir mit dem Tod von Jürgen Krause und Rainer Hammwöhner zwei der prominentesten Personen und mit dem Institut für Informationswissenschaft der Uni Düsseldorf und der Zentralbibliothek für Medizin zeitnah mit einem Schlag zwei wichtige Institutionen.

Ich frage mich gerade wirklich, wie ich das meinen Studierenden erklären soll. Da kommt die Antwort in der bibliothekarischen Rohrpost „Inetbib“, die offensichtlich auch von Informationswissenschaftlern gelesen wird. Walther Umstätter empfiehlt uns, endlich Shannons Informationstheorie als Basis für die Informationswissenschaft zu lesen. … Oh je, das wird ja noch schwieriger, wo wir doch in Potsdam auch immer den zweiten Teil der Abhandlung zur „Mathematical Theory of Communication“ lesen, nämlich den von Weaver, in dem er deutlich sagt, er und Shannon hätten sich darauf geeinigt, erstmal den einfachen Teil des gesamten Komplexes, nämlich nur den der Syntax zu behandeln, Semantik und Pragmatik seien zunächst einmal zu kompliziert für die vorgelegte Theorie der Kommunikation (nicht: Information).

Glücklicherweise nimmt auch gleich Rainer Kuhlen in einem Offenen Brief Stellung zu diesem Ansinnen. Er verweist u.a. darauf, dass es in der Informationswissenschaft tatsächlich mittlerweile einen deutlich anderen Diskurs gibt, als den der sich auf eine Shannonsche Informationstheorie beruft. Schade, dass das so oft wiederholt werden muss.

Vielleicht sollte (muss) man trotz allem auch noch mal darauf hinweisen, dass vor allem in Deutschland, die Informationswissenschaft „ein Kind“ des Fachinformationsprogramms der 1960er und 1970er Jahre war. Mit dem Paradigmenwechsel in der Politik ist dann der langfristige „Niedergang“ zunächst der Infrastruktur (GID, DBI, FIZe…) dann der Lehrstühle (Berlin, Saarbrücken, Konstanz, Düsseldorf…) zu beobachten. Hier ist ein historischer Blick in die Fachgeschichte stets hilfreich. Anfang der 2010er Jahre hatte ich den Eindruck, dass die Politik angesichts des Digitalen Wandels neu auf die Informationsinfrastruktur blickt: BLK, GWK, HRK publizierten Papiere, von denen man im Tenor annehmen konnte, dass Informationsarbeit als wichtig angesehen wird. Immer wieder wurde auch auf die Notwendigkeit von „Ausbildung und Kompetenzentwicklung“ hingewiesen. Der Umbau in den Köpfen und den handelnden Strukturen, der es ermöglicht hatte, dass Fachinformation ihren Stellenwert verlor (weil zu kompliziert), führte dann aber doch paradoxerweise dazu, dass in den Bibliotheken von der DFG „Fachinformationsdienste“ eingeführt werden sollen. (Ist das nicht zynisch?) Ein frühes Opfer des „Umbaus war die Berliner Informationswissenschaft mit Gernot Wersig, der die Situation „schon“ 2000 in der Festschrift für den Düsseldorfer Informationswissenschafter Henrichs treffend beschrieb als: „dumm gelaufen“. Ich glaube, seine Analyse ist aktueller denn je (deshalb hier im upload – Dank an Peter Heisig für den Hinweis), zumal die Steigerung der gesellschaftlichen Komplexität, die Wersig von über 15 Jahren als Begründung für die Notwendigkeit einer „Informationswissenschaft“ sieht, bestimmt nicht abgenommen hat, wie in dem „Digital Manifest“ von führenden Wissenschaftlern in Spektrum der Wissenschaft vor wenigen Wochen sehr anschaulich dargestellt wurde.

Interessanterweise verweist Umstätter auf einen kleinen Post in meinem Blog, in dem ich 2012 genau die Argumentation der Leibniz-Gemeinschaft positiv bewerte, die jetzt die ZBMed zu Fall gebracht hat: der Versuch einer Anbindung von informationswissenschaftlicher Forschung an Informationsinfrastruktureinrichtungen. Die Ereignisse in Düsseldorf scheinen jedoch meine Argumentation eher zu bestätigen: die Informationswissenschaft (und wenn ich den Plural benutze, meine ich auch die noch kleinere Bibliotheks- und die nicht (universitär) vorhandene Archivwissenschaft)  sind zu klein um sich im universitären Kampf der professoralen Duodezfürstentümer zu behaupten. Weshalb meine Hoffnung war, dass sie „wenigstens“ in der Infrastruktur selbst gedeihen möge. Doch die Vermischung von praktischem Selbstinteresse und wissenschaftlichem Diskurs einer Fachdisziplin ist offensichtlich nicht fruchtbar. Eine Disziplin benötigt einen eigenen Reflexionsraum und sollte nicht stets als Werkzeug für Entwicklungsarbeiten der eigenen Institution benutzt werden (wie sich IMHO im Fall der Bibliotheksförderung durch die DFG zeigt). So twitterte denn auch Prof. Steinhauer:

Screenshot 2016-03-21 11.00.41Umso begrüßenswerter ist die Initiative der KIBA und einzelner informationswissenschaftlicher Kollegen ein Zentrum Informationswissenschaft aufzubauen. (Statt auf eine Bewilligung eines FID Informationswissenschaft zu warten.) Bleibt zu hoffen, dass dies nicht auch nur „fachintern“ bleibt – so nötig hier ein Kompetenzzentrum auch ist, s.o.

16 thoughts on “Offene Briefe im „Scherbenhaufen“

  1. Walther Umstätter

    Lieber Kollege Hobohm,

    das ist doch eine schöne Steilvorlage, wenn Sie schreiben, dass Weaver und Shannon sich darauf geeinigt hätten, “erstmal den einfachen Teil des gesamten Komplexes, nämlich nur den der Syntax zu behandeln, Semantik und Pragmatik seien zunächst einmal zu kompliziert für die vorgelegte Theorie der Kommunikation (nicht: Information).”

    Wird es dann nicht Zeit, dass wir uns heute auf der Basis dieser Theorie der Kommunikation an die Arbeit machen, auch die nächste Ebene, die der Semiotik (Semantik – Syntaktik – Pragmatik) daraus zu schlussfolgern?

    Sie haben ja völlig Recht, dass es in der Informationswissenschaft „einen deutlich anderen Diskurs gibt, als den der sich auf eine Shannonsche Informationstheorie beruft.“ aber genau das ist doch der Grund für das was wir inzwischen als einen wachsenden Scherbenhaufen bezeichnen müssen. Wir müssen zurück zu den Wurzeln und von dort systematisch und logisch die Informationswissenschaft bis hin zur Semiotik und zur Wissensorganisation aufbauen. Im Prinzip haben schon die alten Griechen „Wissen“ definiert, aber sie konnten den Begriff noch nicht durch die Informationstheorie absichern. So betrachtet ist Wissen begründete Information, oder genauer gesagt eine a priori Redundanz (Zwischen Informationsflut und Wissenswachstum S. 82), denn Information kann (z.B. durch Kopie) in Redundanz und Redundanz (z,B, durch Verrauschen) in Information übergehen.

    „Solange niemand weiß [was Information ist], wird es schwer, die Informationswissenschaft irgendwo zu verorten.“ schreibt M. Rieck (http://fiz1.fh-potsdam.de/volltext/frei/14050.pdf). Das ist aber seit Shannon klar definiert, denn in der Kommunikation zwischen einem Sender und einem Empfänger wird Information übertragen. Genauer gesagt werden Nachrichten übertragen, die aus Information, Redundanz (zur Sicherung der Information) und Rauschen (das die Nachrichtenübertragung stört) bestehen. Auch die wiederholt gestellte Frage „Was sind Daten.“ ist doch abwegig, wenn man weiß das der Begriff Daten ebenso wie Nachricht der Oberbegriff von Information, Redundanz und Rauschen ist. Wenn diese Daten übertragen werden, sprechen wir von Nachricht. Das Shannon nicht nur eine Kommunikationstheorie sondern auch die Informationstheorie mit seinem Eta (für Entropie, weil Information Negentropie ist) begründet hat, sollten wir in seiner fundamentalen Bedeutung nicht unterschätzen. „Information ist Information, weder Materie noch Energie.“ schrieb N. Wiener um das deutlich zu machen. Darum ist das Bit ein grundsätzliches Maß für Ordnung, gegenüber dem Zufall. Dieses Maß ist bemerkenswerterweise nicht linear, wie Meter, Kilogramm, Sekunde, Joule, Kelvin etc. sondern logarithmisch. Darum sind zehn Bit das Tausendfache von einem Bit.

    Nur weil so viele Menschen Information mit Interpretation (semiotische Ebene) verwechseln, und sich wundern, dass man Information nicht mit Bedeutung verwechseln darf („information must not be confused with meaning“ W. Weaver), wird das Fundament der Informationswissenschaft nicht obsolet. Es zeigt nur, dass diese Grundlagen auch bei zu vielen Informationswissenschaftlern fehlen. Um so mehr freut es mich zu lesen, dass Sie in Potsdam den Weaverschen Teil der “Mathematical Theory of Communication” lesen. Aber vermutlich geht es Ihnen wie mir, das heißt nicht, dass alle Studierenden sie auch richtig verstanden haben. Denn die meisten sind irritiert (s. a. M. Rieck) mit wie viel Widersprüchen diese Theorie inzwischen zugeschüttet worden ist.

  2. Hans-Christoph Hobohm Post author

    Lieber Herr Umstätter,

    es freut mich, dass Sie die Steilvorlage aufgreifen. Ehrlich gesagt, wir lesen tatsächlich den ersten Teil der Abhandlung von Shannon und Weaver eigentlich gar nicht, sondern eher den zweiten:

    Weaver, Warren (1949): Recent Contributions to The Mathematical Theory of Communication. In: Claude Elwood Shannon und Warren Weaver (Hg.): The mathematical theory of communication. Urbana: University of Illinois Press, S. 93–117.

    um zu zeigen, dass die sog. „Informationstheorie“ falsch interpretiert wurde. Und der zweite Teil ist nicht so irritierend mathematisch/physikalistisch, sondern ohne es zu wissen linguistisch/semiotisch. Was auch nicht einfacher ist.

    Sehr viel schwieriger (als nur mathematisch) ist es jedenfalls, wenn man Semiotik ernst nimmt. So lesen wir zur Zeit (allerdings bisher nur mit den Doktoranden) folgenden Text:

    Thellefsen, Torkild; Thellefsen, Martin; Sørensen, Bent (2015): The Concept of Information in Library and Information Science. A Field in Search of Its Boundaries: 8 Short Comments Concerning Information. In: Cybernetics & Human Knowing 22 (1), S. 57-80.

    oder beschäftigen uns mit ANT und Activity Theory, ohne uns darum zu kümmern, ob dies kompatibel ist. Wie gerne würde ich dazu nicht nur twittern oder bloggen….

    Beste Grüße aus Potsdam
    Hans-Christoph Hobohm

  3. Jakob Voß

    So bedauerlich und problematisch die Fehlentwicklung ist, wundert mich doch die weitgehende Beschränkenkung auf deutschsprachige Informationswissenschaften. Ist die Entwicklung international denn vergleichbar desaströs?

  4. Hans-Christoph Hobohm Post author

    Nein. In Skandinavien, Österreich, Schweiz selbst Kroatien ist die Informationswissenschaft gut aufgestellt. Und im Anglo-Amerikanischen Bereich sowieso – allerdings nachdem sich viele iSchools vom Bibliotheksthema entfernt hatten („dropping the L-Word“ hieß es einige Zeit, bei den LIS Schools…).

    Man kann aber auch lange streiten darüber, ob das IT-System-Paradigma und das sozio-kognitive Nutzungs-und-Praxis-Paradigma einer wirklichen Informationswissenschaft gerecht werden, die die Probleme der komplexer werdenden Welt lösen kann. Ich denke, das ist es, was Kollege Umstätter im Sinn hat.

  5. Jakob Voß

    Wenn die Informationswissenschaften international gut aufgestellt sind, dann ist die Feststellung „Die Informationswissenschaften (!) erleben im Moment eine schwere Zeit“ falsch. Für das Fach wäre die faktische Abschaffung in Deutschland nur begrenzt ein Problem. Beklagenswert sind also nicht die „armen Informationswissenschaften“ sondern das „arme Deutschland“, das den Anschluss an die internationale Entwicklung verpasst.

    Was die Diskussion über Ausrichtung und Paradigmen der Informationswissenschaften betrifft, so halte ich diese Frage für sekundär wenn nicht sogar im Moment kontraproduktiv. Erstmal geht es darum, überhaupt irgend eine nennenswerte Informationswissenschaft in Deutschland zu erhalten und auszubauen.

  6. Walther Umstätter

    Sehr geehrter Herr Dr. Voß,

    ich verstehe Ihren Satz: “Ist die Entwicklung international denn vergleichbar desaströs?” eher als rhetorische Frage, und auch R. Kuhlen hat mit seinem Hinweis auf “JASIST etc.” darauf abgezielt, mir zu zeigen, dass das angesprochene Problem nicht nur ein deutsches ist. Ich habe mich allerdings nur auf die deutsche Informationswissenschaft bezogen, weil wir da eine größere Verantwortung tragen und weil ich das Problem nicht noch komplizierter machen wollte. Wenn H.-C. Hobohm auf Skandinavien etc. hinweist, ist das durchaus richtig, da in vielen kleinen Ländern, der LIS-Bereich wichtiger ist als in Deutschland, weil dort über die Bibliotheken die Erhaltung der jeweiligen Landessprache in gedruckter Form bislang subventioniert wird. In den USA ist das anders, die hatten ihren Aufstieg zur Weltmacht im letzten Jahrhundert nicht zuletzt A. Carnegie und den Bibliotheken zu verdanken (nach dem Motto jeder ist seine Glückes Schmied und kann sich mit Hilfe einer Bibliothek vom Tellerwäscher zum Millionär hoch lesen – wie A. Carnegie selbst). Damit brachten sie im LIS-Bereich nicht nur die Informationstheorie, sondern dann auch Biosis, Medlars, Web of Science, Internet Google etc. hervor. Während in den USA die National Library of Medicine eine ganze Reihe wichtiger Datenbanken und UMLS entwickelte, hat man in Köln DIMDI und die ZB MED nebeneinander platziert, und jetzt sind beide weitgehend bedeutungslos. Diese Trennung von Bibliothek und Dokumentation war in Deutschland durch die Nationalsozialisten besonders deutlich und wirkt bis heute nach (Zwischen Informationsflut und Wissenswachstum S. 280).

    Das ändert aber nichts an Ihrer berechtigten Anspielung, dass ich auch im Ausland kein brauchbares Grundlagenwerk der Informationswissenschaft finde, auf das ich vorbildlich verweisen könnte. Sie alle sind, soweit ich sie kenne, massiv unlogisch bzw. fehlerhaft. Hinzu kommt, dass die Entwicklungen in den USA (z. B. Google) immer stärker der Geheimhaltung unterliegen, so dass sie immer weniger Gegenstand der publizierten Informationswissenschaft bzw. der Lehre sind.

    Leider ist das Problem nicht nur auf die Informationswissenschaft beschränkt. In immer mehr Wissenschaftsbereichen erblühen widersprüchliche Hypothesen, die als Theorien verkauft werden, ohne dass das Pre Peer Reviewing dem Einhalt gebieten konnte. Der Lobbyismus trägt seinen Teil zur Irreführung bei. Eine Aufzählung von Beispielen würde hier zu weit führen.

    Im Prinzip haben diejenigen, die wie W. Rauch behaupten, der Informationsbegriff ist mathematisch und damit syntaktisch und nicht inhaltlich ausgerichtet.“ (http://www.informationswissenschaft.org/wp-content/uploads/festschriften/festschrift-rk/cc-festschrift_RK-art8.pdf) ja recht, denn wenn der sog. Content unser Hauptthema ist, geht es uns hauptsächlich um Semiotik, aber die muss man logischerweise auf der Basis der Informationstheorie aufbauen, denn wenn Semantik nach C. W. Morris der Teil der Semiotik ist, der sich mit der Zuordnung von Zeichen zu dem was sie bezeichnen, beschäftigt. (Wir sehen einen Baum nennen dieses Gebilde Baum und senden die Nachricht „Ich sehe einen Baum“ an einen Empfänger, wobei die Syntax des Satzes „Ich sehe einen Baum“ das Verhältnis von Ich, sehe und Baum festlegt. In der Pragmatik als „relation of signs to interpreters“ (C.W. Morris), interpretiert bzw. rekonstruiert der Empfänger aus „Ich sehe einen Baum“ die Bedeutung meiner Aussage.

    Und nun geht es darum, über Metadaten auch einem Computer die Bedeutung von syntaktischen Zeichenketten interpretierbar zu machen. Aber das ist ja Ihre Domäne.

  7. Anna Lehmann

    Liebe Herr Umstätter, lieber Herr Hobohm,

    die Griechen, um direkt zum Thema zu kommen, haben Wissen als Begriff weniger definiert. Vor allem Sokrates ist mehr auf die Beziehungen und Verbindungen von Wissen zu anderem (Nicht-)Wissen eingegangen.
    Auch die Definition von Information ist natürlich nicht einfach daher gesagt. Wollen sich die Informationswissenschaften weiterhin vielfältigen Herausforderungen stellen (wie Kaden, Kindling und Pampel 2011 den Mehrwert der IW einschätzen), müssen auch die Definitionen der Grundbegriffe vielfältig anwendbar sein. Die „Einigung“ auf „DIE eine richtige Definition“ erscheint mir doch sehr fragwürdig… Wem ist denn zuzustimmen? Kuhlen, Krcmar, Floridi oder doch Shannon und Weaver? Und viel wichtiger: Wer entscheidet, wem zugestimmt werden sollte?
    Wir schaffen uns unsere eigenen Grenzen der Realität, obwohl größe Freiräume doch sinnvoll wären. Wer kann schon sagen, wohin uns Digitalisierung, Big Data, Vernetzung ect führen? Die Informationswissenschaften müsste an dieser Stelle Verantwortung übernehmen und Freiräume zur Verfügung stellen.

    Müssen wir also „zurück zu den Wurzeln“ – Aber wo liegen denn die Wurzeln? Sind es nun Daten, Information, Wissen, Technik, Kommunikation oder werden wir noch plastischer und berufen uns auf Bits und Bytes, um eine haptische Erklärung der gesamten Komplexitätsstruktur liefern zu können?! Wenn es eine Grundlage für die Informationswissenschaften braucht, scheint es doch logisch die Begriffe in ihren Substitutionen zueinander greifbar zu machen und sogar anhand dessen zu definieren. Evenetuell ist es noch gehaltvoller, die Suche nach „Struktur“ zu beenden und sich auf die Prozesse zu berufen, die die Komplexität steigern.

    Ich will damit keineswegs sagen, dass es nicht durchaus wichtig und richtig ist, Informationswissenschaften vor dem Hintergrund der (beispielweise) Kommunikationstheorie zu betrachten. Ich glaube aber desweiteren, dass diese Ansätze alleine nicht ausreichen. Grundlegende Theorien dürfen natürlich nicht komplett abgelegt werden. Aber eventuell reicht es, den Wandel der Theorien selber und die Anwednungsbereiche der Theorien zu akzeptieren und sich diesen zu öffnen, statt sie zu verteufeln und davor zurück zuschrecken.

    Viele Grüße,
    Anna Lehmann

  8. Walther Umstätter

    Sehr geehrte Frau Lehmann,
    ich weiß zwar nicht was Sie unter einer “haptischen Erklärung “ bei dem Maßsystem für Information, Redundanz, Rauschen oder Wissen in Bit verstehen, aber Ihre Frage: “wo liegen denn die Wurzeln? Sind es nun Daten, Information, Wissen, Technik, Kommunikation” ist einfach zu beantworten, sie sind nun einmal allesamt (bis auf Technik) aus der Informationstheorie heraus klar definiert, und nur mit möglichst klaren Definitionen lässt sich Wissenschaft realisieren. Ihre Frage: “Wem ist denn zuzustimmen? Kuhlen, Krcmar, Floridi oder doch Shannon und Weaver?” ist nur zu entscheiden, in dem man prüft, was sich in der jeweiligen Hypothese bzw. Theorie als logisch erweist und auch praktische Anwendung findet. Anders gesagt, man muss eine Theorie verstanden haben, bevor man sie akzeptiert bzw. ablehnt. Zur Zeit haben wir zu viele Menschen, die die Informationstheorie nicht verstanden oder zumindest teilweise missverstanden haben. Das ist oft leicht zu erkennen.

    So entsinne ich mich, dass ein Prof. der Philosophie einen Vortrag über den Informationsbegriff hielt, bei dem eine Studentin am Schluss fragte, ob seiner Meinung nach Information eine Bedeutung habe, sie kannte anscheinend den Satz “information must not be confused with meaning”, als der Dozent dies vehement mit ja beantwortete, war klar, dass er die Informationstheorie nicht verstanden hatte, und den Unterschied zur Semiotik nicht kannte.

    Ich kann nur davon abraten, die „Suche nach „Struktur“ zu beenden“, denn genau das ist es, was die Informationstheorie (neben Energie, Masse, Zeit oder Raum) so fundamental macht, und warum sie eigentlich das mächtigste Bindeglied zwischen den Geistes- und Naturwissenschaften ist. Wir haben mit ihr das Maß für Ordnung in diesem Universum, und damit auch in den Sprachen dieser Welt.

    Es wäre unsinnig zu glauben, dass wir mit Hilfe der Informationstheorie alle Fragen der Informationswissenschaft beantworten können, aber wir können sie nicht als wichtiges Fundament einfach ignorieren, nachdem sie sich in der Physik (Entropie), Informatik, in der Biologie (DNS), in der Nachrichtentechnik, der Kryptologie und vielen anderen Bereichen immer wieder als wichtig und richtig erwiesen hat.

  9. Philipp Maaß

    Wie schon gesagt gibt es kaum Argumente die für die Schließung der ZB Med. Ebensowenig gibt es rationale Argumente die Reinigung von Operationssälen an Mindestlöhner zu vergeben oder Trinkwasser, U-Bahnen und Kanalnetze zu privatisieren. Vielleicht liegt es an systemischen Problemen, dass sich Bibliotheken/Informationswissenschaft in der Krise befindet. Legt man an „Reformen“ wie „G 8“ und die zunehmende Privatisierung und Trivialisierung von „Bildung“ den Blick, so ergibt sich vielleicht insgesamt ein Bild des Raubbaus am Bürgertum und den unteren Schichten. Nicht nur wir sind am Schwimmen, sondern zahlreiche Bereiche sind es oder sind schon marginalisiert und wegrationalisiert oder müssen rödeln bis zum umfallen. Es findet ein Rücktransfer von Ressourcen statt die in Jahrhunderten mühsam erobert wurden. Rücktransfer meint hier über Landesgrenzen hinweg zu den oberen 10.000. Und da die Bibliotheken eine Möglichkeit sind sich Bildung zu verschaffen und die Ressource Information zu verteilen, wird hier die Axt angelegt. Später wird an den meistbietenden verschachert. Mit welchen Geld? Richtig, mit Ihrem! Just my 2 Cents…

  10. Kuhlen

    Noch ein Versuch zum Scherbenhaufen der Informationswissenschaft unter:
    bit.ly/1M0181U
    Wenn es nicht mit Anklicken klappt, dann Copy and Paste.
    RK
    Hier der letzte Absatz:
    Wenn es den Informationstheoretikern gelingt, die von S/W ausgeklammerten semantischen und pragmatischen Dimensionen von Information (und natürlich gehören Semantik und Pragmatik dazu) konstruktiv auszuloten, sind sie mehr als willkommen. Ich habe da meine Zweifel – die Wissensräume, aus denen die handlungsrelevanten Informationen abgeleitet werden, sind eben keine in Bits messbaren und keine abgeschlossenen Systeme im Sinne der Thermodynamik, deren Entropie unumkehrbar monoton steigt (also sich in nicht weiternutzbare Energiezustände wandelt), sondern offene, ständig sich weiterentwickelnde und weiter zu nutzende immaterielle Systeme, aus denen unendlich viele neue und, – anders als die technische Sicht auf Entropie annimmt –, weiter nützliche Informationen abgeleitet werden können. Diese so verstandene Information entsteht eben nicht, „indem eine zu erwartende Information mit der real antreffenden Bit für Bit verglichen wird“ (so Umstätter in NfD 49 (4), 1998, 221224), sondern ist eine kognitive Leistung.

  11. J Eberhardt

    @Umstätter: Man wundert sich schon, wie ein „zurück zu den Wurzeln“ einer Theorie, die von den meisten für veraltet gehalten wird, die entsprechende Disziplin voranbringen soll. Das wäre so, als wenn man in der Sprachwissenschaft feststellen würde: zurück zur Zeichentheorie von Saussure, nur das ist die wissenschaftliche Begründung, und dann wird die Politik die Forschungsinfrastruktur wieder besser aufstellen. Dass das nicht funktioniert, kann man beurteilen, ohne die in Rede stehende Theorie verstanden zu haben. Aber vielleicht hat Umstätters Beharren ja auch damit zu tun, dass er selbst ein Kind dieses Fachinformationsprogramms der 70er ist.

  12. Hans-Christoph Hobohm Post author

    Liebe Diskutanten, lieber Rainer,

    vielen Dank für die interne Information der „Oral History“ in der Fußnote 3 des zweiten Offenen Briefes. Ich hatte stets den Mentalitätswandel zum Ende des IuD Programms auf das Ende der sozialliberalen Koalition zurückgeführt. Dass dies schon drei Jahre vorher beginnt, war mir bisher so nicht bewusst oder ich hatte es verdrängt. Immer noch eine interessante Frage an die Geschichtserklärer. Gerade heute habe ich unserem (Hochschul-) Präsidenten auch noch mal Manuell Castells erläutern müssen.

    Im Zusammenhang mit unserer Doktorandenbetreuung und unserem Master bin ich informationswissenschaftlich mittlerweile doch ziemlich weit weg von S/W geraten, auch wenn wir über Umwege dann wieder zu Ursprüngen (allerdings der Semiotik) zurückkommen. Jonathan Furner [1] hat es in seinem Text „Information without Information Studies“ schön auf den Punkt gebracht, dass das Problem der Disziplinentwicklung nicht nur eines ist, das die deutsche IuD-Programm/Sputnik-Schock-generierte Informationswissenschaft betrifft. Interessanter noch als physikalische Ansätze zur Erklärung von Information sind m.E. solche, die auf Logik, Systemtheorie, Erkenntnistheorie o.ä. aufbauen wollen. Aber um dieses Paradigma (auch fruchtbar für die Praxis) weiterzuentwickeln, reichen wie gesagt die Ressourcen der FH-basierten Informationswissenschaften nicht aus.

    Reference:
    [1] Furner, Jonathan (2014): Information without Information Studies. In: Fidelia Ibekwe-SanJuan und Thomas M. Dousa (Hg.): Theories of Information, Communication and Knowledge. A Multidisciplinary Approach. Dordrecht: Springer Netherlands (Studies in History and Philosophy of Science, 34), S. 143–179.

  13. Anna Lehmann

    Sehr geehrter Herr Dr. Umstätter,

    Vorab: Ich bin definitiv dagegen, die Informationstheorie „als wichtiges Fundament einfach [zu] ignorieren“! Es geht mir lediglich um eine Erweiterung zur Abbildung anderer Phänomene, die sich nicht in der Informationstheorie realisieren lassen.

    Wir scheinen schon in einem sehr frühen Punkt gegenteilige Meinungen zu vertreten. Ich bin nicht der Meinung, dass sich Wissenschaft ausschließlich mit möglichst klaren Definitionen realisieren lässt. Viel eher bin ich mir sicher, dass offene Definitionen der Wissenschaft einen großen Freiraum geben können und damit ein Rahmen geschaffen wird, der weniger Grenzen innehat. Sie sagen ja selber, dass es für „die Wahl der richtigen Definition“ einer Prüfung der Hypothese oder Theorie Bedarf, die sich in der Praxis anwenden lässt. Das heißt natürlich auch nicht, dass nun alles in Frage gestellt werden soll. Die Einigung auf ein Grundgerüst bewahrt schließlich vor dem Chaos und ist existentiell.
    Weiterhin denke ich, dass sich (höchstwahrscheinlich) weder Universum noch (und da bin ich mir ganz sicher) die natürliche Sprache in ein „Maß für Ordnung“ abbilden lässt. Beide Netzwerke sind kaum greifbar und für den Menschen doch sehr schwer begreifbar. Die Informationstheorie ist natürlich fundamental und lässt uns einen kleinen Teil der genannten Beispiele verstehen. Um ein ganzheitliches Bild zu zeichnen, kann die Informationswissenschaft m.E. Möglichkeiten schaffen, die über die strukturellen Grenzen hinausgehen.
    Ich bin also auf keinen Fall gegen Strukturen und Fundamente, sondern plädiere lediglich für die Öffnung der von ihr geschaffenen Grenzen.

  14. Walther Umstätter

    Lieber Herr Eberhardt,

    es mag sein, dass die Theorie von Shannon und Weaver ”von den meisten für veraltet gehalten wird”, aber das ist ja nur ein Zeichen, wie wenig die „meisten“ von den Entwicklungen auf diesem Gebiet verfolgt haben, denn die Theorie ist zwar knapp achtzig Jahre alt, aber nicht veraltet. Sie findet in der Datensicherung, -kompression, -übertragung, -verarbeitung und an vielen anderen Stellen moderner Wissenschaft täglich ihre Anwendung. Newtons Definition von Kraft = Masse x Beschleunigung ist noch viel älter, aber kein ernst zu nehmender Physiker käme auf die Idee, Newton das Urheberrecht daran mit der Begründung abzusprechen, dass Kraft, frei nach Wittgenstein viele Bedeutungen in Kraft seines Amtes, Kraftausdruck, Kraftanstrengung, Kraftbrühe, Finanzkraft, Kraftwagen etc. hat. Wenn wir Boltzmann mit seinem Eta Theorem mit einbeziehen, wurde die Theorie seit über hundert Jahren fortentwickelt.

    Übrigens hat der Kollege Kuhlen mit Recht auf die Entropie verwiesen, aber vergessen, dass Shannon bei der Negentropie als neues Element, die Redundanz eingefügt hat. Shannon hat somit die Erkenntnis Boltzmanns über die Thermodynamik hinaus erheblich erweitert. Im Gegensatz zur Entropie in der Thermodynamik, verläuft Negentropie in lebenden Systemen (Schrödinger) in entgegengesetzter Richtung. Inzwischen wurde die Informationstheorie auf verschiedenen Gebieten mehrfach bestätigt, auch wenn sie für sich betrachtet die Semiotik noch nicht mit beinhaltet, sondern dazu nur das Fundament liefert. Ich erinnere hier nur daran, dass die Informationstheorie dazu beitrug, dass Watson und Crick die DNS als evolutionäres Gedächtnis entziffern konnten, und dass daraus nicht nur das Wissen aller Pflanzen und Tiere zum überleben entstand, sondern letztendlich auch unser menschliches Bewusstsein hervor ging. Das war ja der Ausgangspunkt dieser Diskussion, dass Shannon und Weaver “erstmal den einfachen Teil des Komplexes“ abgehandelt haben. Darum hatte ich bereits gefragt: „Wird es dann nicht Zeit, dass wir uns heute auf der Basis dieser Theorie der Kommunikation an die Arbeit machen, auch die nächste Ebene, die der Semiotik (Semantik – Syntaktik – Pragmatik) daraus zu schlussfolgern?“ Stattdessen wird fleißig aneinander vorbei diskutiert, weil schon Wersig richtig feststellte und Kuhlen ihn mit den Worten zitiert, „Informationsbegriffe gibt es nahezu so viele, wie es Autoren gibt“. Das ist unser Dilemma. Jeder meint er könne sich locker über die Urheberrechte von Shannon, Wiener, Boltzmann, Fisher, Hartley, Kolmogorov, Nyquist, Schrödinger, Tukey oder Weaver hinwegsetzen (die alle zu dieser Informationstheorie beigetragen haben), indem man einfach eine eigene Definition in den Raum stellt, und Shannon für veraltet erklärt.

    Dementsprechend ist es verständlich, dass der Kollege Kuhlen seit Jahrzehnten den Versuch macht, seine Definition: „Information ist Wissen in Aktion“, gegenüber so vielen anderen, als pragmatisches Primat zu verbreiten – und das mit erstaunlichem Erfolg, obwohl das eindeutig im Widerspruch zu der etablierten Theorie steht. Danach ist Information eine Teilmenge von Wissen. Wir müssten also beim Wissen unterscheiden zwischen Information und inaktivem Wissen, und das, obwohl der Übergang vom Information Management zum Knowledge Management, zum Ziel hatte, Wissen als qualifizierte (begründete) Information (und damit als Teilmenge von Information) in den Vordergrund zu stellen. Ich frage mich auch, ob ein Wissen in einem Buch niedergelegt, und in einem Regal deponiert, noch Information enthalten kann, wenn dieses dort sicher nicht in „Aktion“ ist. Dementsprechend wäre auch der Begriff Informationsspeicher obsolet.

    Ihre Vermutung, dass ich „ein Kind dieses Fachinformationsprogramms“ sei, zeigt, dass Sie meine Kritik an den Fachinformationsprogrammen nur nicht kennen, denn schon in den Fachinformationsprogrammen las man merkwürdiges, um nicht zu sagen schlicht falsches, über den Informationsbegriff.

  15. J Eberhardt

    Lieber Herr Umstätter, dass Sie ein Kind des Fachinformationsprogramms der 70er Jahre sind, habe ich Ihrem Werk „Zwischen Informationsflut und Wissenswachstum“ entnommen, S. 32 / 34 u.ö., in dem Sie erzählen, wie Sie in Ulm „die erste Online-Literaturdokumentation“ ‚aufgebaut‘ haben. Ist also keine Vermutung. — Ihr Verweis auf Newton leuchtet mir nicht ein; in der Diskussion hier wird doch gerade bestritten, dass man sich an einem naturwissenschaftlich geprägten Informationsbegriff orientieren sollte. Auch das atmet für mich überdeutlich den Geist der 60er und 70er Jahre, als man z.B. in der DDR die „Kybernetik“ noch für etwas Großartiges hielt, mit dem man alles Mögliche erklärten könnte, insbesondere natürlich auch soziale und kulturhistorische Phänomene. Ich habe schon früher an anderer Stelle Ihnen gegenüber angemerkt, dass dabei dann komische Sachen herauskommen, so wenn Sie allen Ernstes und ganz unmetaphorisch vom „Wissen“ der Pflanzen schreiben. Es sei nur angemerkt, dass Ihr aus meiner Sicht begrifflich ungeheuer unscharfes Denken sich auch darin zeigt, dass Sie hier schreiben, man würde sich über die „Urheberrechte von Shannon, Weaver … hinwegsetzen“, wenn man den Informationsbegriff anders gebraucht. Ernsthaft?

  16. Walther Umstätter

    Lieber Herr Eberhardt,

    aus Ihrem Hinweis bezüglich des “Fachinformationsprogramms der 70er Jahre” erkenne ich, das Sie das sog. IuD-Programm ’74/’77 meinen, von dem man sich in der damaligen Politik, durch die folgenden Fachinformationsprogramme, so gut es ging wieder verabschiedete. Ich weiß zwar nicht, was Sie wirklich gelesen haben, aber auf den Seiten “32 / 34” in “Zwischen Informationsflut und Wissenswachstum” kommt das Wort Fachinformation nicht vor.

    Im Prinzip ging es schon damals um die Frage, ob man das Wissen der Welt möglichst allen Menschen verfügbar macht, oder ob man durch Verknappung der Informationsversorgung Information zu einer Ware wie zu jedem anderen marktwirtschaftlich relevanten Gut machen soll. Eine Frage, die bei Open Access also noch immer virulent ist.

    Dass insbesondere geistes- und sozialwissenschaftlich ausgebildete Informationswissenschaftler den “naturwissenschaftlich geprägten Informationsbegriff” bestreiten ist mir natürlich nicht entgangen. Im Gegenteil, ich will ja gerade dazu anregen, nicht völlig zu vergessen, dass die Ursprünge in der Naturwissenschaft liegen, und dass die Informationswissenschaft darum die besten Voraussetzungen schafft, eine Brücke zwischen Geistes-, Sozial und Naturwissenschaft zu bilden. Es geht also immerhin um die mögliche Überwindung der Zwei Kulturen von C. P. Snow.

    Bezüglich der “Kybernetik” bin ich nicht sicher, ob Sie wissen, dass diese Wissenschaft in der Sovietunion zunächst als bourgeoise Pseudowissenschaft abgelehnt wurde, weil sie aus denn USA kam. Später sah man sich dann gezwungen sie zumindest für die Raketen- und die Regelungstechnik auch im Ostblock zu übernehmen, so dass sie sich zwangsläufig ausbreitete. Ansonsten war sie ja von Anfang an die Fortentwicklung der Informationstheorie, wie Sie N. Wiener 1943 mit Kollegen auf einer Tagung in Princeton entwickelte. Schon damals entstand die Bezeichnung Bit für die Informationsmessung, die dann J. W. Tuckey auch im Weinberg Report (1963) benutze, um den Aufwand zur Digitalisierung der Library of Congress abzuschätzen. Die eigentliche Geburtsstunde der Informationstheorie 1943 war aber noch kriegswichtig und streng geheim. Während die meisten Menschen unter Kommunikation ohnehin ein kybernetisches System verstehen, bei dem der Empfänger einer Nachricht wieder zum Sender, und der Sender zum Empfänger wird, definiert die “Mathematical Theory of Communication” schon die einfache Nachrichtenübertragung vom Sender zum Empfänger als Kommunikation. Wenn wir also ein altes Buch lesen, kommunizieren wir mit dem Autor auch dann, wenn dieser nicht mehr lebt.

    Dass Sie es “komisch” finden, dass Pflanzen Wissen haben, obwohl sie dieses zum Überleben dringend brauchen, ist mir bekannt. Falls Sie aber doch noch mal die Zeit finden, das Buch “Zwischen Informationsflut und Wissenswachstum” wirklich zu lesen, werden Sie sehen (S.171), dass es dafür nicht nur gute Gründe gibt, sondern dass u. a. auch der Philosoph Sir Karl Popper, in seinem Spätwerk zu dieser Erkenntnis gelangen musste. Dass ist über Jahrmillionen Phylogenese erworbenes, und auf der DNS gespeichertes Wissen darüber, wann eine Pflanze sinnvollerweise auskeimt, wann sie sich auf den kommenden Winter einstellt, wie sie sich zum Licht streckt (Heliotropismus) um optimal Photosynthese zu betreiben etc.

    Zu Ihrer Frage, ob ich meinen Hinweis auf das Urheberrecht ernst gemeint habe, kann ich nur sagen, dass es sich lohnt, darüber genauer nachzudenken, vorausgesetzt dass man Urheberrecht nicht mit den an gleicher Stelle abgehandelten Verwertungsrechten verwechselt.

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