ASIS&T annual meeting in St. Louis, USA

conference bag

Conference Bag, ASIS&T 2015

Es ist wie immer schwierig, als Einzelperson von einer großen internationalen Konferenz zu berichten, da man ja immer nur in einem „Track“ sein kann. Die an die 50 Fachveranstaltungen waren in der Tat manchmal in vier parallelen Sessions gruppiert, so dass eine Konzentration auf die „eigenen“ Themen notwendig wurde.

Das Jahrestreffen der Association of Information Science and Technology, wie ASIS&T seit dem Besuch der Präsidentin beim deutschen Pendant (der ISI2013) heißt, fand diesmal vom 6. – 11. November im „mittleren Westen“ der USA statt, genauer in der Gateway-City: St. Louis. Auch für viele Amerikaner kein so besonders attraktiver Ort, so dass man sich auf die Konferenz konzentrieren konnte. Allerdings kamen auch weniger Teilnehmer in diese Stadt nahe bei Ferguson…

Das Programm war wie immer recht gemischt, um nicht zu sagen bunt und etwas wenig fokussiert, trotz des Gesamtthemas „Impact on Society“, das auch immer wieder passend aufgegriffen wurde. Als europäischen Informationswissenschaftler erstaunt die starke empirische Ausrichtung der Informationswissenschaft: ein großer Teil der Vorträge stammte aus laufenden oder abgeschlossenen Dissertationsprojekten, die wiederum zu einem großen Anteil empirisch-qualitativ vorgingen (zumindest in den Bereichen Information Behavior, die mich interessierten).  Die Doktoranden sind – ohne dies selber empirisch belegen zu können – relativ alt im Vergleich zu Deutschland und haben häufig einen asiatischen Hintergrund.

Keynote-Vortrag Sarah Morton

Keynote-Vortrag Sarah Morton on „Creating Impact for Research“

Panel on Knowledge Management in LIS Education (SIG KM + SIG ED)

Panel on Knowledge Management in LIS Education (SIG KM + SIG ED)

Die ASIS&T Konferenzen zeichnen sich aus durch eine Dreiteilung in „Paper“, „Panel“ und „Poster“, wobei die Paper eine recht strenge Annahmerate von nur 36% haben und die Poster eine von 58%. Die Panel sind oft nicht wirkliche Podiumsdiskussionen, sondern eher kürzere Vorträge – allerdings oft von renommierten Kollegen – von verschiedenen SIGs (special interest groups) initiiert („gesponsort“). Zunehmend wird darauf geachtet, dass die Zuhörer „aktiviert“ und eingebunden werden. So hatte ich mehrfach das Vergnügen, kleinere Gruppendiskussionen mit meinen Sitznachbarn während eines Vortrags machen zu müssen. Das hielt zumindest wach und den Jetlag fern.

Besonders auch die Postersession erweisen sich immer als fruchtbar, da es zu direkten Gesprächen mit den Autoren kommt und man Einblick in die Forschungspraxis einzelner Institute bekommt. Allerdings ist mir dieses Jahr auch aufgefallen, dass viele Poster von Masterstudierenden dabei waren, die ja in den USA LIS ausschließlich postgradual und nicht konsekutiv studieren – mit dem Effekt, dass an der einen oder anderen Stelle dann doch die Tiefe der Fachdiskussion fehlte. Und dies, obwohl äusserst stringent stets auf den State of the Art in der Literature Review verwiesen wird.

Twitter Netz ASIST2015 via NodeXL "Top Influencers)

Twitter Netz ASIST2015 via NodeXL „Top Influencers)

Ein inhaltlicher Einblick in das Tagungsgeschehen ergibt sich wie so oft bei Twitter, wo ca. 400 Personen live mit dem Hashtag #ASIST2015 von der Konferenz berichteten. Ich habe hier vorwiegend mit dem funktionalen Account @Master_IW_FHP getwittert, da mein persönlicher mit Facebook verbunden ist und ich dort nicht so viel Traffic verursachen wollte.  Interessanterweise zeigt die Netzwerk-Visualisierung von Marc Smith mit NodeXL, dass vor allem Europäer die einflussreichsten Twitterer waren: neben ASIST selbst, Hazel Hall aus Edinburgh und der Studiengang Informationswissenschaften aus Potsdam!

Neben den fachlichen Veranstaltungen bestand wie üblich bei Tagungen einer großen Organisation ein wichtiger Teil aus „Business Meetings„. Neben dem European Chapter war ich vorwiegend mit der Special Interest Group „Education in Information Science“(SIG ED) beschäftigt, deren „outgoing“ Chair (Karen Miller) einen renommierten Preis bekam für ihr „Leadership“ bekam.

Certificate of Appreciation

Certificate of Appreciation

Meine Rolle beschränkte sich zwar eher auf administrativeres, aber dennoch wurde mir Wertschätzung in Form einer Urkunde zuteil (ein interessantes und nicht wirklich unangenehmes Detail der amerikanischen Kultur).

Die eigentlichen Preise wurden bei einem festlichen Lunch am Abschlusstag überreicht und sind aus meiner Perspektive besonders interessant: der „Best Paper Award“ ging an den JASIST Artikel: „When Complexity Becomes Interesting“ von van der Sluis et al. (JASIST, 65(7), 1478-1500, den ich auch schon via Twitter beworben hatte. Der Preis für das „Best Information Science Book“ ging an das wirklich sehr gelungene Buch von Ronald Day: „Indexing it all – the Subject in the Age of Documentation, Information, and Data“ (MIT 2014), in dem er auf seine bekannte (psychoanalytisch-)kritische Art die Geschichte der Dokumentation seit Paul Otlet neu schreibt! In Deutschland wäre ein Buch dieser Art lediglich als zu kompliziert und unpraktisch ad acta gelegt worden…

Die besonders herausragende Würdigung mit dem „Award of Merit“ ging dieses Jahr an einen im gewissen Sinn „Weggefährten“ von mir: an Michael E. Koenig, der mir während meiner Zeit bei IFLA mit zahlreichen Gesprächen bzw. auch Beiträgen in meinem Wissensmanagement-Buch den Weg in die Themen „Knowledge Management“, „ROI of Special Libraries“ u.a. gewiesen hatte. Es war nicht nur eine Auszeichnung für die Person, sondern auch für das Thema ‚Information und Bibliothek als Wirtschaftsfaktor‘.

Last but not least: hier noch mal der Hinweis, dass es former president Diane Sonnenwald nicht nur geschafft hat, die „American Society…“ umzubenennen in „Association…“ (und damit schon vom Branding her zu internationalisieren), sondern auch noch die Mitgliedsbeitragsstruktur soeben für nicht-USA Mitglieder gestaffelt erschwinglich zu machen und das erste ASIS&T Annual Meeting außerhalb von Nordamerika nach Kopenhagen zu holen: 14. – 18. Oktober 2016. Eine große Chance für die europäische Informationswissenschaft! Deadline für die Einreichung von „complete [!] draft papers“ 10. März 2016 24h GMT (save the date)!