Genderfragen in der Bibliothek

Im Rahmen der aktuellen (noch laufenden) Ringvorlesung

„Gender, Race, Class, Bodies: Diversity als berufliche Schlüsselkompetenz.“

an der Fachhochschule Potsdam hatte ich die Gelegenheit, einen Vortrag zu halten über Diversity in Bibliotheken (hier die Ankündigung). Nachdem ich zusammen mit Karin Weiß 2007 die Diplomarbeit von Wolfgang Kaiser[1.] zu diesem Thema betreut hatte, aber nicht erst seitdem, beschäftigten mich Genderfragen, ohne dass ich mich wissenschaftlich damit auseinander gesetzt hatte.

Der Vortrag war ein Anlass dies etwas zu vertiefen. Allerdings bin ich zunächst noch nicht sehr weit gekommen. Ich führe dies auch darauf zurück, dass es (noch?) die einschlägigen Ergebnisse der Genderforschung bezogen auf Bibliothekare und Bibliothekarinnen bzw. ihre Kunden und Kundinnen nicht gibt. Zu sehr herrscht hier wie überhaupt in der Bibliothekswissenschaft eher die Äußerung von Befindlichkeiten vor und die Beschreibung von Situationen mit ad hoc eingesetzten Methoden bzw. ohne Bezug auf einen State of the Art – kurz kaum Evidenz basiert[2.]. Das Thema hat aber insgesamt wohl auch im Bibliotheksbereich Konjunktur, nachdem der Film von Danilo Vetter auch auf dem BID Kongress gezeigt wurde.

Einzig die Diskussion im frankophonen Bereich erscheint mir aber einigermaßen fundiert, bloß eben französisch, d.h. nicht nur in einer Sprache, die nicht viele Bibliothekswissenschaftler lesen (bis auf Stefan Gradmann), sondern mit komplexeren Konzepten umgehend. Hier sind viele durch die Schule von Foucault und Derrida gegangen, die in Deutschland im Bibliotheksbereich ja häufig als nicht lesbar und irrelevant eingestuft werden.

Interessant ist auch, z.B. an den Studien von Mariangela Roselli[3.], dass sie eher komplexe qualitative Erhebungsmethoden benutzen, die in Deutschland erst so langsam entdeckt werden. Vielleicht bedeutet dies, dass es sich auch bei Genderfragen um ein komplexeres Phänomen handelt, dem mit quantitativen Methoden nicht beizukommen ist (ja-nein Fragen: „Sind Sie ein Mann oder eine Frau?“). Ich freue mich auf die weitere Diskussion mit unserer Gleichstellungsbeauftragten.

[1.] Kaiser, Wolfgang: Diversity Management. Eine neue Managementkultur der Vielfalt – für ein neues Image der Bibliotheken. Berlin: Simon Verl. für Bibliothekswissen, 2008.

[2.] vgl. Evidence based library and information practice

[3.] Roselli, Mariangela (2011): La bibliothèque, un monde de femmes. Déterminations et conséquences sur la segmentation des publics jeunes dans les bibliothèques. In: Réseaux 168/169 (2011),4-5, S. 133–164. Online verfügbar unter http://www.cairn.info/revue-reseaux-2011-4.htm. – gekürzte deutsche Fassung in Vorbereitung für Bibliothek. Forschung und Praxis. Dank an Wolfgang Kaiser für den Hinweis!