Von Government zu Governance: Wandel der Politik und Open Innovation

Esteve Almiral: Open innovation und smart cities at re:publica 2012

Ein Thema, das im Track re:innovate der re:publica besonders präsent war, schien die Innovation in der (Stadt-) Politik zu sein. Welche Koinzidenz zu unserer Tagung: Stadt der Ströme im Juli! Die Tracks-Sessions standen oft unter dem Motto Open Innovation, obwohl hier eigentlich meist über Crowd Sourcing gesprochen wurde.

Städte entwickeln sich von „service providers“ to „platform orchestrators“, bei denen ein Nullsummenspiel beim ersten Modus, aber eben nicht mehr beim zweiten vorhanden ist, da „Citizens have a kind of ownership, that clients do not have.“ (Almiral). Mehrfach wurde in diesem Zusammenhang die Metapher der „vending machine“ angesprochen, die eine Kommune eben nicht nur sein kann und sein sollte. Das erinnert stark an Duecks „Aufbrechen“, in dem er das Ende der Dienstleistungsgesellschaft beschwört und dabei auch öfter städtische Beispiele bemüht. Seine Konsequenz war, dass wir uns im „Service“ um absolute Exzellenz bemühen müssen und die einfachen Dinge den Maschinen überlassen können. Auf der re:publica gab es jedoch den Konsens, dass man vieles (besser) der Crowd überlassen kann, die auch noch die lokale (Heimat-) Verbundenheit mitbringt.

Mit einer Flut von Apps strebt die Stadt von morgen an, das lokale Ökosystem zu managen und den „civic innovation market place“ anzuregen unter dem Motto: „Learn locally to compete globally. Im EU Förderprogramme Commons4eu werden solche Apps entwickelt und den smart cities zur Verfügung gestellt. Als „Civic commons“ entsteht hier eine Art Repository für Apps.

Podiuksdiskussion "Government as a platform"

Jean-Pierre Winter sprach hier ebenfalls in einer Podiumsdiskussion vom „Government as a platform“, bei der die Deutungshoheit eben weggeht von den großen Institutionen, ein Vorgang der häufig Angst besetzt. Früher gab es eindeutige Hierarchien in den Eklrärungsmustern, jetzt gibt es zunehmend die „n:n Organisation“, in der viele mit vielen etwas unternehmen (können): eine grundlegende Veränderung für die Menschheit. In der n:n Welt herrscht:

„DIO: Do it yourselves organisation: if the state government were to reimagine itself not as a vending machine but an organizing engine for civic action“.

Auf einer Art Abschlusspodium der Reihe re:innovate, stellten exemplarische Vertreter unterschiedlicher Domänen ihr Verständnis von Open Innovation vor: Petra Sitte (DIE LINKE), Wofgang Both (Senat Berlin), Uli Schurr (Forschungsnzentrum Jülich), Sven John (VW), Denny Vrandečić (Wikimedia/Wikidata). Leider war trotz Pecha Kucha Präsentationen der Teilnehmer des Podiums die Diskussion zu lang angesetzt, so dass der anfangs volle Saal nach anderhalb Stunden sehr leer aussah, obwohl die Statements an sich spannend waren.

Podium zu Open Innovation: Pecha Kucha von Uli Schurr (Jülich)

Podium zu Open Innovation: Pecha Kucha von Uli Schurr (Jülich)

Petra Sitte zeigte sich äusserst engagiert zum Thema Urheberrecht: „eines der wichtigsten Rechte der Welt im aktuellen Gesetzgebungsverfahren beim Bund.“ Sie plädierte dafür „vielleicht auch die Lobbyisten mal auszuschliessen“. Aber auch der „Open Governance Anspruch“ z.B. der Regierung Obama lag ihr am Herzen: hier haben wir es mit einem Problem der Erstinformation zu einem Gesetzesentwurf zu tun: warum wird ein Gesetz auf den Weg gebracht, ist meist sehr kompliziert Nichtexperten-Bürgern zu erklären. In gewisser Weise sieht sie eine Dichotomie zwischen: „Servide dominant logic“ und einer „Diktatur der Aktiven“.
Bürgerhaushalte wie in Essen oder Leipzig sind positives Beispiel für Open Innovation. Es geht hierbei aber nicht um „Open Decision“, sondern um Generieren von Wissen als wichtigem Teil des Gesamtprozesses Politik.

Wolfgang Both von der Senatsverwaltung Berlin stellte sein Pecha Kucha unter das Motto „Nüsse knacken“: Öffnung der Datenbestände in Richtung auf  „open data“ und verwies auf die Vielzahl der neuen Möglichkeiten der Wertschöpfung im Verwaltungshandeln. Berlin hat z.B. einen Wettbewerb ausgerufen im Opencities Projekt, wer möchte dabei sein, zu helfen, den „Bundesdatenadler freizulassen“. In der Diskussion stellte er klar, dass Open Data längst keine Randerscheinung mehr ist, da bereits eine Reihe von Gesetzen wie das Umweltinformationsgesetz schon existieren, die den Staat sogar dazu verpflichten. Manches ist jedoch noch nicht so gut auffindbar: man arbeite an einem Portal: Daten.berlin.de. Die Probleme sind die Darstellung der Zusammenhänge der Daten, die Datenqualität, die Langfristigkeit (keine langen Reihen) etc.? Viele Crowdsourcing Initiativen gibt natürlich schon, es fehlt aber Forschung dazu, wie zu Teilnahme an solchen Initiativen motiviert werden kann (was passiert im limbischen System zur Motivierung?).

Uli Schurrs Pecha Kucha konnte seine textliche Herkunft als Wissenschaftler nicht verbergen. Seine Themen zum Bereich Open Innovation in der Wissenschaft waren:

  • Vorhandenes Wissen muss besser genutzt werden
  • Wissenschaft produziert nur Papier, ist zu langsam
  • Wissenstransfer muss beschleunigt werden
  • Arbeitsumfeld für Wissenschaftler muss interessant gestaltet werden
  • Wissensbörsen, Verbundforschung, vorwettbewerblicher Zusammenschluss von Firmen als Tendenz in der Forschung
  • Das vorhandene Innovationssystem der (nicht industriellen) Wissenschaft hat signifikante Schwächen
  • Wir brauchen einen Kulturwandel in der öffentlich finanzierten Wissenschaft
  • Auch Debatten, wie Förderprogramme entwickelt werden, müssen geöffnet werden

Zur Diskussion um den Heidelberger Appell positionerte sich Schurr: „Open Access wird zunehmen“, die Verknappung von Wissen ist ein ganz großes Problem.

Sven John (VW, Peoples Car China) berichtete aus der industriellen Wirtschaftsperpektive, wie z.B. in einer so gänzlich anderen Kultur wie der chinesischen VW Innovation betreiben kann und stellte seine Beobachtungen vor:

  • Digitalisierung in China ist ein großer Fortschrittsantreiber!
  • Das Auto ist nicht mehr Statussysmbol nummer eins, junge Chinesen sehen das unter Umweltgesichtspunkten, aber sehr praktisch, nicht so romantisch wie die Deutschen

Die Open Innovation Kampagne zu einem neuen Auto in China (offene Plattform) gab eine Reihe von Erkenntnissen dazu, was die „Vorstellungen der Menschen da draußen“ sind. John kam dabei zu dem Schluss, dass das „Cluetrain Manifest“ mit seiner These „Märkte sind Konversationen“ nicht recht hat: nur die Nutzer kommunizieren – nicht die Marktanbieter. Es müsste mehr kommuniziert werden mit den Herstellern: tun sie dies nicht aus Arroganz, Ängsten, Rechtsunsicherheiten, geht es mehr um Sicherstellung des eigenen Wissens? Die Erkenntnisse der VW Plattform sind für alle (auch die Konkurrenz) offen.
Das bekannte Diktum, 90% der erfolgreich getesten Produkte (in Laboren und Marktforschung) sind Flopps, sollte zu der Erkenntnis führen, dass das Öffnen der geschlossenen Marketingentwicklungs-Systeme Not tut und gleichzeitig neue Anreizsysteme geschafen werden müssen: Wertschöpfung geht einher mit Wertschätzung, und dies ist wichtig für den „re-entry“ auf der Website.

Denny Vrandečić von Wikidata beklagte, dass man Wikipedia keine Frage stellen kann, obwohl das Wissen drin ist, die Informationen sind Computer nicht zugänglich, Computer sind doof. Wir wollen auf Fragen Antworten finden, also Geschichten erzählen, deshalb brauchen wir Daten, war seine Schlussfolgerung. Hier könnte man die ganze DIKW Hierachie Debatte wieder aufrollen, oder? Interessant der wiederholte Hinweis auf Geschichten: auch Lobo forderte „wie brauchen neue Narrative“.

Stefan Lindegaard on Open Innovation

In einer anderen Session erläuterte Stefan Lindegaard, wie Open Innovation überhaupt funktioniert und verwies dabei auf sein Buch: ,Making open innovation work“ (kostenlos auf www.15inno.com). Wir erleben derzeit einen grundlegenden Wandel wie Innovation funktioniert und welchen Stellenwert sie im Unternehmen hat: er zietierte einen CEO der als Ziel für seine Firma formulierte: „Be competitively unpredictable“. Dazu ist der Ansatz von Open Innovation unter Einbezug von Social Media gerade richtig: „Develop the right conditions and frameworks“. Auch er berichtete, dass 96% aller Innovationsprojekte scheitern, weil vor allem im Bereich des eigentlichen Angebots in Innovationen investiert wird.
Schaut man sich das Verhältnis zwischen Investionsquote und Erfog in den unterschiedlichen beeichen genauer an, so ergibt sich, dass andere bereich, in denen traditionell nicht in Innovation investiert wird erfolgreicher mit Ihren Innovationen sind.

Auf der Grafik im Bild sieht man dieses Verhältnis:

  • blau: Finance= business modell, networking
  • grün: Process= enabling, core
  • orange/gelb: Offering = product performance system, service (der Bereich mit den meisten Innovationsinvestitionen und der geringsten Erfolgsquote)
  • rot: Delivery= channel, brand, customer experience

Sein Plädoyer also: mehr im Bereich Finanzen/Geschäftsmodelle über Innovation nachzudenken bzw. in der Distributions- und Kommunikationspolitik, weniger im Kerngeschäft selber.

Und dies vor allem deshalb, weil Open innovation bedeutet:

  • Better access, interaction with customers
  • Idea genereation, feedback loop
  • Identify people -> business intelligence
  • Boradcasting – not only outcomes

Wichtig ist dabei die Netzwerkkultur, Führung und Training sowie Zeit und Incentives (wie Gamification oder konkrete Anerkennung).

Zum Schluss dieses Posts noch der Hinweis auf einen recht neuen TED Vortrag (März 2012), der das Thema Wandel der Poilitik durch Open Innovation ebenfalls sehr interessant und einleuchtend aufgreift. Jennifer Pahlka: Coding a better government:

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