Führender Wirtschaftswissenschaftler sieht neue Aufgaben für Bibliotheken

Foto: Volkmar Schulz / Keystone Presse (via Tagesspiegel)

Foto: Volkmar Schulz / Keystone Presse (via Tagesspiegel)

Gert Wagner, einer der prominentesten Wirtschaftswissenschaftler in Deutschland, berichtet heute im Tagesspiegel von den jüngsten Entwicklungen im Wissenschaftsbetrieb, die Tony Hey u.a. (2009) als das „Vierte Paradigma“ beschrieben hatten: die zunehmende Datenlastigkeit der Wissenschaft (vgl. die I-Science Tage in Potsdam, wo er Keynote Speaker war). Er beklagt dabei vor allem, dass die Erzeugung und das Management von Forschungsdaten den Wissenschaftlern zu wenig Reputation bringt und deshalb allgemein vernachlässigt wird. Vor allem in den Geistes- und Sozialwissenschaften wird zudem auf Notlösungen bei der Erhebung von auf menschliches Verhalten bezogenen Daten zurückgegriffen, weil hier die notwendige, kostspielige Infrastruktur allgemein fehlt. So werden vielfach Analysen mit amerikanischen Collegestudenten als Probanden gemacht und diese für weltweit repräsentativ erklärt.

Interessant ist aber auch, dass Wagner deutlich im Datenmanagement eine erklärte Aufgabe für Bibliotheken sieht, ohne jedoch  Konsequenzen z.B. für die Ausbildung oder die Bibliothekswissenschaft zu fordern.

Vgl. dazu unseren (Pampel/Bertelmann/Hobohm 2009)-Beitrag als Sonderausgabe des Rates für Sozial- und Wirtschaftsdaten (RatSWD), in dem wir schon auf die Notwendigkeit von curricularen Anpassungen hinwiesen:

„Data Librarianship“ – Rollen, Aufgabe, Kompetenzen. RatSWD Working Paper 144, Mai 2010

Ein paar Ausschnitte aus dem Tagesspiegel-Artikel:

Wenn Forschungsdaten, wie zum Beispiel Daten über das Klima in Vergangenheit und Gegenwart, über die historische Sozialstruktur oder über Entwicklungsverläufe von Babys bis zu Menschen in der letzten Phase ihres Lebens aus der Mitte der Forschung heraus produziert und archiviert werden sollen, dann muss es entsprechende Anreize für Wissenschaftler/innen geben. Von zentraler forschungsstrategischer Bedeutung ist daher die Anerkennung der Datenproduktion, der Archivierung und des Zugangs (data sharing) als eigenständige Leistungen innerhalb des Wissenschaftssystems.

Aber nicht nur die Anreize für Archivierung und Zur-Verfügung-Stellung müssen verbessert werden, sondern auch das „Sammeln“ und die Produktion von Daten müssen innerhalb des akademischen Elfenbeinturms besser belohnt werden.

Die Allianz [der deutschen Wissenschaftsorganisationen] betont zu Recht, dass die „Conditio sine qua non für den Erfolg die enge Kooperation zwischen Fachwissenschaftlern und Informationsdienstleistern ist“. Dabei wachsen auch Fachbibliotheken ganz neue Aufgaben zu. Während das Beschaffen von Büchern und Zeitschriftenaufsätzen mehr und mehr mithilfe elektronischer Kopien direkt von Wissenschaftlern selbst erledigt wird, können Bibliotheken beim nutzerfreundlichen Dokumentieren und Auffinden von Forschungsdaten ganz außerordentlich helfen. Zudem sind Bibliotheken weltweit vernetzt.