Die drei Q’s und die Zuverlässigkeit in der Dienstleistung: brand eins Themenheft über „Zu viel“

Nicht nur Urlaubslektüre: das Juli Heft von brand eins zum Thema „Zu viel“. Neben einer Reihe spannender Praxisbeispiele von Unternehmen eine Reihe ‚philosophischer‘ Ansätze, die relevant sind für die aktuelle Diskussion in Informationsmanagement und Informationswissenschaft.

Der Themenartikel von Wolf Lotter führt von Xerxes und der Schlacht bei den Thermopylen über die Frage von Quantität und Qualität zu der Erkenntnis, dass nicht mehr nur Pseudoinnovationen zählen, sondern „Zuverlässigkeit“. [in LIS würde man sagen „Vertrauen“] Er belegt dies mit der kleineren, überschaubareren Armee der Spartaner und den Mikrokrediten von Mohammed Yunus und bringt es griffig auf die Formel Q Q Q:

Das erste Q steht für Quantität, das wichtigste Gegengift gegen den Mangel. Quantität bedeutet Menge. Das zweite Q ist jenes für Qualität. Das heißt nichts anderes als Eigenschaft. Qualität beschreibt also, woraus die Menge beschaffen ist und in welchem Zustand sie sich befindet.

Erst mit dem dritten Q, dem für das Wort Quantum, wird ein Schuh daraus. Es verweist auf die Dimension wie viel, wie groß?

Q, Q, Q – das gehört zusammen. Wo der Mensch das Trio trennt, gibt es Ärger, Kopfschmerzen und Verzweiflung. Dann marodiert eines der drei Qs durch die Welt, so wie es heute geschieht, bei der Quantität, der schieren Menge ohne besondere Eigenschaft und ohne Beschränkung.

Die Diskussion im Bibliotheksmanagement könnte diese These belegen: von der reinen Input-Orientierung zur Qualitätsdiskussion zur jetzigen Diskussion um den Wert und das richtige Maß der Informationseinrichtung. Ansonsten nur ein Plädoyer für „small is beautiful“? Und was machen wir mit dem Power Law und Weinbergers These „Everything is miscellaneous“, die ja gerade der Vielfältigkeit das Wort redet?

Nicht „Schlachtschiffe und Supertanker“, sondern „kleine Boote, die wissen, wohin sie steuern“, sagt er, sind die Sieger der neuen Wirtschaft. Keine Perser also, keine große Armee und auch keine Helden, nur Menschen, die wissen, was sie tun, sind nötig.

David Weinberger kommt in diesem Heft dann auch selbst in einem Interview zu Wort und plädiert ebenfalls (radikal) für „weniger“ – in diesem Fall „weniger an Bildung“ (Pardon) Exzellenz:

Besitzen wir überhaupt die geistige Fähigkeit und die technischen Werkzeuge, um diesen ständig wachsenden Berg zu durchsuchen? Wie viel Unordnung kann das Hirn verkraften?
WeinbergerWir werden immer mehr Informationen haben, als neu geschaffene Werkzeuge bewältigen können. Das liegt in der Natur der Sache, denn jedes neue Werkzeug, jede Suchmaschine schafft im Zuge ihrer Arbeit automatisch mehr Informationen. Aber das ist kein Nachteil – je mehr, umso besser. Das hat auch eine wirtschaftliche Komponente: Wo Menschen etwas suchen und damit einen Bedarf ausdrücken, sehen Unternehmen eine Chance und schaffen neue Mittel und Wege, etwas zu finden. Es besteht außerdem ein großer Unterschied, wie wir heute nach Informationen suchen und wie uns das Suchen beigebracht wurde. Das fängt in der Schule an, wo wir Kinder immer noch dazu anhalten, Fragen im Alleingang zu beantworten. Dabei ist die Suche nach Antworten ein sozialer Prozess. Man muss sich nur ansehen, wie Kinder und Jugendliche heute mehrere Instant-Messaging-Fenster aufhaben und sich unterhalten und austauschen, während sie ihre Hausaufgaben machen.

Früher hieß das Schummeln oder Schwätzen und nicht gemeinsames Lernen. Bleibt dabei nicht die Bildung auf der Strecke?

Der Gedanke mag viele Menschen beunruhigen, aber im Großen und Ganzen brauchen wir gar nicht immer die besten, perfekten Informationen. Es reicht, wenn sie gut genug sind. Bei einem Arzt, der die Nebenwirkungen eines Medikaments sucht, oder einem Anwalt, der Präzedenzfälle finden muss, kommt es auf die besten Daten an – aber das sind Sonderfälle. Der Rest der Welt kommt mit Informationen aus, die gut genug sind. Für einige Leute klingt das nach dem drohenden Ende der Zivilisation: Wir werden nachlässig und begnügen uns mit dem Mittelmaß. Aber ich sehe diese Gefahr nicht.

Ebenfalls lesenswert der schöne Text „Sie haben Ablenkung“ von Thomas Ramge:

Mit E-Mail, Mobiltelefon und Pocket-PC ist die elektronische Kommunikation binnen weniger Jahre explodiert. Der Mensch liebt seine neuen Spielzeuge. Leider hat er noch nicht gelernt, sie effizient einzusetzen.